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Jürgen Teller - Ich bin vierzig: Zu viel ist nicht genug

Manchmal hat es auch sein Gutes, dass man in der Kunsthalle Wien nicht vor dem nackten menschlichen Körper zurück schreckt. Die Fotografien von Jürgen Teller rücken so manches, was in dieser Hinsicht im letzten Jahr dort schief gelaufen ist, wieder in ein richtiges Licht. Wie man im Ausstellungstitel erfährt, ist Teller dieses Jahr vierzig geworden, was seine Arbeit schon vorweg in einem bestimmten persönlichen Kontext platziert. Alles, was dem Besucher begegnet, wird von der Türe weg in Hinblick auf den Autor und seine spezifische Midlife-Situation gesehen. Der Trick ist berechtigt: Tellers Ausstellung zeigt nicht nur Modefotos, darunter das von der nackten Kristen McMenamy mit der Operationsnarbe an der Leiste und dem "Versace"-Lippenstiftherz auf der Brust, mit dem Teller 1996 schlagartig berühmt wurde, sondern eine sogar überwiegende Anzahl von Arbeiten, die sehr persönlich sind. In der Ausstellung trennt keine Hierarchie die Mode- von der Kunstfotografie. Sehr schnell entdeckt man, wie viel Sinn das macht. Tellers besondere Qualität als Modefotograf ist ja, den glatten Schein der Werbewelt zu durchbrechen und die Menschlichkeit und Verletzlichkeit seiner Modelle ans Licht zu holen. Das ist eigentlich eine Art von Schonungslosigkeit seinen Modellen gegenüber, die er am deutlichsten in Fotos von Jürgen Teller selbst vor Augen führt. Ob es der eigene, von den Spuren seiner vierzig Jahre gezeichnete Körper ist oder das schwierige Verhältnis zum durch eigene Hand gestorbenen Vater, Jürgen Teller gelingt es, das Persönliche ins Allgemeine zu heben und den Betrachter zu involvieren. Tellers große Stärke und seine Einfluss auf die Modefotografie in den Neunzigern bestand darin, eine auf Makellosigkeit basierende Scheinwelt aufzumischen, indem er gerade die Narben, Pickel und Unzulänglichkeiten zeigte, die die anderen retuschierten. Seine Modefotografie forcierte einen Trend zum Authentischen. Damit holte er sie in die Aura der Kunst zurück. Dass uns der schon zu oft strapazierte Begriff Authentizität zum Hals heraushängt, kann Teller nicht wirklich etwas anhaben, war diese doch bei ihm immer nur Mittel, aber nie Zweck. Das lassen die Fotos mit privatem Inhalt erkennen, aber besonders seine neueste Serie "Luis XV", die ihn in filmartigem Rollenspiel mit Kultstar Charlotte Rampling zeigt. Wie Teller dort Privates und Glamouröses, Schein und Sein, Künstler und Modell einander decouvrieren lässt, wäre eine eigene Besprechung wert.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Jürgen Teller - Ich bin vierzig
10.06 - 17.10.2004

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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