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Rudolf Wacker. Magie und Abgründe der Wirklichkeit: Wackers Welten

Wien wollte Rudolf Wacker (1893-1939) wohl weniger. An der Kunstakademie wurde er für das Studium nicht angenommen, Jahre später als Professor ebensowenig. Eine kleinere Ausstellung gab es zu Lebzeiten 1934 im damaligen „Glaspalast“, dem heutigen Palmenhaus im Burggarten, eine größere Gedächtnisausstellung dann 1958 in der österreichischen Galerie. Immer wieder ist der Vorarlberger Maler, eine der eindrücklichsten österreichischen Positionen der Neuen Sachlichkeit in Ausstellungen vertreten, als Posten am Kunstmarkt ebenso. Doch war es das dann schon mit der Präsenz in der Metropole. In Vorarlberg wurde Wackers Werk 1998 und 2019 umfassend präsentiert und aufgearbeitet. Eine lang vermisste umfassende Ausstellung ist nun noch zwei Wochen im Wiener Leopold Museum zu sehen.

Anhand einer losen Chronologie dieses tragischen Lebensweges behandeln die beiden Kuratorinnen Laura Feurle und Marianne Hussl-Hörmann die zentralen Themen dieses reichen Werkes eines kurzen Lebens. An der Wiener Akademie abgewiesen, erhält Wacker seine Ausbildung unter anderem bei Albin Egger-Lienz an der Weimarer Kunsthochschule. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges beendet die Studienzeit vorzeitig: Militärausbildung, Ostfont, russische Kriegsgefangenschaft. Als er 1920 nach Bregenz zurückkommt, ist sein Vater gestorben, das Vermögen der Familie durch Kriegsanleihen verloren. Geldmangel wird hinfort ein ständiger Begleiter sein. Akribisch notiert der Künstler seine Verkäufe, ausführliche Listen geben Auskunft über seine breitgefächerte Lektüre, umfassend schreibt er Briefe und vor allen Dingen Tagebücher, in denen seine Überlegungen zur Kunst und deren Produktion ebenso thematisiert wie den Alltag, Reisen samt ausgiebiger Ausstellungsbesuche, längere Aufenthalte in Berlin, wo er seine spätere Ehefrau die Kunstgewerblerin Ilse Moebius kennenlernt. Anders als bei seinen Kollegen wie Otto Dix oder George Grosz werden seine Kriegserfahrungen in den Bildern nie ein Thema sein. Vielmehr konzentriert sich der Künstler auf seine nächste Umgebung: Landschaften seiner Heimat, (Selbst-)Porträts, der weibliche Akt und Stillleben. Erst 1922 arbeitet er an den ersten Gemälden, zwei Jahre später erachtet er das erste, „Selbstbildnis mit Rasierschaum“ wert, in sein Werkverzeichnis aufgenommen zu werden. Mit den Jahren ändert sich seine vorerst expressive Malweise in eine altmeisterliche Feinmalerei, eine Lasurtechnik, mit der er auf Holz arbeitet.

Sich selbst beschreibt Wacker in einem seiner Tagebucheinträge als „Anwalt der unbeachteten, bescheidenen Dinge“, doch wird er mit seinen bisweilen verstörenden oder auch nahezu magisch aufgeladenen Stillleben zum subtilen Mahner gegen den faschistischen Zeitgeist und die Aussicht auf einen weiteren Krieg. Hat man bislang stets einzelne Werke Wackers im Kontext mit anderen künstlerischen Positionen gesehen, so ist es die große Qualität der Ausstellung ihre Quantität an Werken mit immer wiederkehrenden, immer neu arrangierten Versatzstücken wie Puppen, Spielsachen, Vasen, einer Christusfigur ohne Arme oder einem Putto mit abgebrannten Füßen. Über dieses Arrangieren schreibt Wacker 1934 in sein Tagebuch: „Über Komposition und Bildmittel. Das „Sinnlose“ (das Vereinzelte, Einsame von Gegenständen, die keine praktischen – d.h. Außerhalb des Bildes gewöhnte Beziehung haben) in eine sinnvolle Ordnung spannen.

Die abermalige Ablehnung an der Wiener Akademie und die zunehmend bedrohlich werdenden politischen Zustände, lassen Wacker sich resigniert mehr und mehr ins Private zurückziehen. Seine letzten Arbeiten sind neben eindringlichen Puppenporträts und Aquarien, wundervoll zarte, vertrocknete Blumenarrangements. Einer der letzten Tagebucheinträge Wackers im Jänner 1939, bevor er 42-jährig an einem Herzversagen stirbt, thematisieren diese berührenden Werke. „Vielleicht sind meine Bilder stiller geworden, ihre Gegenstände zugänglicher, ja gefälliger oder doch weniger auffallend. - Sie sind also nicht mehr so aggressiv und sich zur Schau stellend, wie manchmal früher, sondern die Bildconstruktion bleibt eher verborgen, die Gegenstände und auch das, was man den Sinn des Bildes nennen könnte, sind zurückhaltender, bescheidener, simpler. - Das Wesentliche der Malerei – ihre mannigfaltigen Spannungen und ihre vielfältigen Harmonien – läßt sich auf einer handgroßen Fläche realisieren, die Sujets, an denen sich ihre Vorgänge abspielen, können die geringsten sein.“ Wackers Arbeiten lassen innehalten und nachdenklich werden - heute mehr denn je.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Rudolf Wacker. Magie und Abgründe der Wirklichkeit
30.10.2024 - 16.02.2025

Leopold Museum
1070 Wien, Museumsquartier
Tel: +43 1 525 70-0, Fax: +43 1 525 70-1500
Email: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org
http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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