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Flaka Haliti & Jimmie Durham | Come, but as a Daytime Comet: Unter Bestien

Anfang des 21. Jahrhunderts sind wir in Europa und im Nahen Osten mit Krieg konfrontiert, so wie wir ihn seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr kannten. Einen Vorboten der kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa bildeten die Balkankriege in den Neunzigerjahren, die auch nach Österreich Flüchtlinge brachten. Die Galerie Christine König versucht nun mit einer Begegnung der Kosovarin Flaka Haliti und dem Cherokee Jimmie Durham, das kriegerische Feld zu bespielen.

Betritt man den Galerieraum, so fällt einem als erstes ein riesiger löchriger Tarnvorhang auf. Für Soldaten in der Herbstzeit geeignet, lässt sich bis zu einem Panzer alles darunter verstecken. Der Tarnumhang verliert aber als solcher seine militärische Funktion, da er löchrig ist. Er ist nutzlos geworden und dient hier als Raumteiler und gestaltet so eine Art Parcour in der Galerie. In einem Interview erzählt Haliti, dass nach der Unabhängigkeit des Kosovo 2008 immer mehr alte schmiedeeisene, durchbrochene Gitter durch hohe abwehrende Zäune ersetzt wurden. Haliti hat einige Arbeiten zu diesen Zäunen gestaltet. Die Arbeit „Camouflage Net 2023“ ist in dieser Tradition zu sehen.

Wie sich Mensch und Territorium durch Krieg, Vertreibung, Besetzung, Wiederaneignung und fremde militärische Präsenz verändern ist das Kernthema der Künstlerin. Haliti, 1982 in Pristina geboren, floh während des Krieges 1999 mit ihren Eltern nach Mazedonien und kam nach dem Krieg zurück. Sie studierte Graphik an der Kunstakademie in Pristina, ging dann an die Städelschule nach Frankfurt und machte hier in Wien an der Akademie der Bildenden Künste ihren PhD. Mittlerweile lebt die Künstlerin in Berlin. Die vielen Ortswechsel, die Anpassung des eigenen Lebens an eine immer wieder fremd empfundene Umgebung, ob in der Heimat am Balkan, in Österreich oder in Deutschland, sind die Kernthemen ihrer Kunst. Die site specificy in Verbindung mit eigener aber auch universeller Identität ist in ihren Arbeiten unverkennbar.

Die gezähmte Form der Aggression wird in dem Objekt „Whose Bones“ von 2022 anschaulich. Da geht, in federndem Schritt, ein künstlicher Panther aus Stahl, Aluminium und geschliffenem Plastikschaum quasi durch die Galerie. Es ist eine Skulptur die einen schaudern lässt.

Das Schaudern ist auch ein künstlerischer Inhalt, den Jimmie Durham meisterhaft beherrschte. Der 2021 verstorbene Künstler, der von der schamanischen Tradition seines Stammes beeinflusst war und doch eine europäische Ausbildung an der École des Beaux Arts in Genf erhielt, wusste viel über das Abgründige und Gewaltvolle in unserem Leben. Parallel zum Panther von Haliti findet sich daher in der Galerie der „Glass Bear“ von Durham aus 2019. Dabei handelt es sich um einen mit Glas veränderten skelettierten Bärenkopf, der auf einem Gestänge fixiert auf einem Radiator sitzt.

In den Auslagen der Galerie König sind auch Bronzen von Durham zu sehen. Dabei goss er 2007 Äste aus dem Grunewald ab, als er mit der Nazivergangenheit seiner Wohnung in Berlin konfrontiert wurde. Es war ein aktiver Prozess der Aneignung, indem er in einem schrittweisen Verfahren Äste abgoss und kopierte.

Zum Schluss seien hier noch die sechs Arbeiten Flaka Halitis mit dem Titel: „I shout your echo bounce, what am I?“ von 2023 erwähnt. Da hängen Stelen von der Decke in deren Mitte auf Papier gezeichnete Fledermäuse eingeschweißt sind. Um sie herum räkeln sich Lichtgirlanden in unterschiedlichen Formen, die im Begriff stehen zu Boden zu gleiten. Mit dieser zarten Arbeit schafft Haliti ein schwebendes Raumerlebnis, in dem sich die Bestien Tag und Nacht sagen.     

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Flaka Haliti & Jimmie Durham | Come, but as a Daytime Comet
24.10 - 30.11.2024

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


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