Alice Slyngstad - Flare demure: Matrix, aber bevor es jemand merkt
Ich habe manche gesehen, die sofort nach dem Eintreten mit quietschenden Schuhsohlen vorgeprescht sind, trotz dieser in der Stille so laut und peinlich quietschenden Schuhsohlen, und trotz der Dunkelheit. Ich habe andere gesehen, die erstmal stehen blieben. Ausnahmslos alle aber steuerten schließlich und unvermeidlich auf die "schüchtern", so es in der Broschüre schön heißt, glimmenden Leuchtskulpturen zu, die gegenüber dem Eingang gar nicht schüchtern auf sich aufmerksam machten, und folgten also unter dem nicht zu entkommenden Gemurmel wandernder Tonspuren dem Lichtschein, der nach dieser ersten Begegnung sich an noch weiteren Stellen zeigte und also auch noch dort etwas vermuten ließ.
Flare demure ist ein multimedial gestalteter Erfahrungsraum. Architektur, Sound- und Lichtdesign markieren einen unsichtbaren Pfad durch die Installation. Das Leitsystem ist ein effizientes und übernimmt unweigerlich die Kontrolle über Wahrnehmungs- und Bewegungsverhalten seiner:s Benutzerin:Benutzers.
Für Alice Slyngstad suggeriert die begehbare Installation die Erfahrung des cruisings und spielt mit misstrauischer Unsicherheit genauso wie mit neugierigem Drängen, das letztlich innerhalb des Rahmens eines durchchoreografierten Skripts bleibt. Cruising ist das "Herumschweifen auf der Suche nach (anonymen) Sexpartner:innen". Dessen digitale Variante, dem Swipen auf Datingplattformen, ist algorithmisch durchkomponiert und wird von Flare demure in diesem Sinne gespiegelt.
Wenn eine solche Determiniertheit in Flare demure angelegt ist - die Lichter können dem Auf und Ab der Tonspur so wenig entfliehen, wie man als Besucher:in der Verlockung dieser als Sirenen agierenden Leuchtskulpturen widerstehen kann (wieso auch?) und also durch jeden sich bietenden Durchgang schreitet - so täuschen die kleinen sensorischen Geschenke, die die Ausstellung macht, gekonnt darüber hinweg.
Was irritierend ist, ist die völlige Abwesenheit jeglicher Irritation des Systems: es scheint einfach keinen Konflikt zu geben, es ist in der Anordnung nicht vorgesehen und es kommt auch nicht vor. Das ist entweder sehr deprimierend, oder scheitert dabei, die Lücken zu finden, an denen das Programm etwas Überraschendes anbietet.
06.09 - 09.11.2024
Kunstraum Niederoesterreich
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