Werbung
,

Anne Duk Hee Jordan - The End Is Where We Start From: Act Now!

      We shall not cease from exploration
      And the end of all our exploring
      Will be to arrive where we started
      And know the place for the first time.[1]

Das Leben ist eine ständige Transformation von Werden und Vergehen. Es nahm seinen Ausgang hier auf Erden wohl in dem gewaltigen, erdumspannenden Ur-Ozean und entwickelte sich dann weiter an Land bis hin zur „Krone der Schöpfung“, wie sich die Menschheit recht unbescheiden selbst bezeichnet. Noch immer sind die Meere für uns weitestgehend unbekanntes Gebiet und wir beginnen erst langsam zu verstehen, wie die Kreisläufe zwischen den Kontinenten und den sie umspülenden Wassermassen funktionieren. Was die Menschheit allerdings zum Teil recht schmerzhaft zu spüren bekommt ist die Tatsache, dass uns diese Kreisläufe durch unser Verhalten zunehmend heftiger um die Ohren fliegen.

Anne Duk Hee Jordan, geboren in Korea, aufgewachsen in Deutschland, setzt sich schon seit langem mit den Kreisläufen des Lebens und mit den Meeren im Speziellen auseinander. Für die aktuelle Ausstellung im Kunst Haus Wien wurden die beiden oberen Stockwerke in eine bunte Wunderwelt verwandelt, die auf den ersten Blick wie eine immersive Installation in einem Naturkundemuseum wirkt. Aquarien voller Pflanzen, Bilder von Lavaflüssen und rauchenden Vulkanen und vor allem das Meer und seine Lebewesen rücken in das Zentrum der Wahrnehmung der Besucher:innen. Die dritte Ausstellungsebene ist ganz der frühen Entwicklung unseres Planeten gewidmet. Eine große Wasserfläche versammelt diverse Pflanzen, auf den umliegenden Wänden tummeln sich tierisches und pflanzliches Plankton, Würmer. Schnecken und weitere Urtiere schweben auf transparenten Stoffbahnen um uns herum. Man könnte sich schwärmerisch verlieren in den Weiten dieser unschuldigen Lebensräume, doch Anne Duk Hee Jordan sieht ihre Rolle nicht nur als Erzähler:in der Schönheit dieser Welten. In einem eigenen Becken brodeln schon die Gehirne, werfen Gedankenblasen und entwickeln wohl Strategien zur Ausbeutung der Erde. Die Menschheit ist seit einiger Zeit nicht mehr „Eins mit dieser Welt“, sondern hat sich zur Schöpferin erklärt und fuhrwerkt in den Öksystemen herum als gäbe es kein Morgen und alles wäre unter Kontrolle. Doch die Maschinen oder Roboter, die Anne Duk Hee Jordan stellvertretend für diese Entwicklung in das Biotop gesetzt hat, scheinen hilflos, spulen immer wieder die selben Bewegungsabläufe ab, rotieren am Stand und irrlichtern als schlechte Kopien komplexer natürlicher Strukturen durch das Blattwerk. Etwas mehr Demut und Achtsamkeit fordert Anne Duk Hee Jordan ein angesichts der Tatsache, dass wir unwiderruflich Teil der Natur sind und jede menschengemachte Veränderung auch Auswirkungen auf die unscheinbarsten Teilchen im Gesamtsystem hat.

Einfühlen in das große Ganze können sich die Besucher:innen auf der vierten Ausstellungsebene. Dort hat Anne Duk Hee Jordan im dunklen, zentralen Raum eine große Matratze ausgebreitet, auf der man liegend den Geräuschen des Meeres lauschen kann. Doch auch hier drängt sich die menschliche Zivilisation vor. Schiffsschrauben und Radargeräte stören die Idylle der Walgesänge, da kann das neonfarbige Plankton rundherum noch so schön leuchten.

Ebenfalls im vierten Stock verknüpft die Installation Atmospheres of Breathing eine weitere gesellschaftliche Ebene mit der Umwelt. Entstanden während der Corona-Pandemie, werden Fragen nach Identitätspolitiken und Zuschreibungen gestellt. Basierend auf der 4-7-8-Pranayama-Atemtechnik im Yoga wird nochmals die tiefe Verbundenheit zwischen Natur und Mensch betont. Der Titel Don’t Panic mag allerdings nicht als Aufforderung verstanden werden, so weiter zu machen wie bisher, sondern sich eine ganzheitliche Sichtweise anzueignen, damit wir wieder in den Kreislauf der Natur einsteigen können, den wir mit unserer lebensfeindlichen Neid- und Ausbeutungspolitik beinahe verlassen haben.

--
[1] Aus dem titelgebenden Gedicht „Little Gidding“ von T. S. Eliot

Mehr Texte von Werner Remm

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Anne Duk Hee Jordan - The End Is Where We Start From
11.09.2024 - 26.01.2025

KunstHausWien
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 13
Tel: +43 1 712 04 95 0, Fax: +43 1 712 04 94
Email: office@kunsthauswien.com
http://www.kunsthauswien.com
Öffnungszeiten: Opening Days 29.02.-3.3.2024


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: