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Das Unheimliche. Sigmund Freud und die Kunst: Das Unheimliche im Heimeligen

Ausstellungen mit mehreren Stationen müssen nicht zwingend an Orten mit vergleichbaren Rahmenbedingungen präsentiert werden. „Das Unheimliche. Sigmund Freud und die Kunst“ eben im Wiener Freud Museum ist diesbezüglich nachgerade ein Lehrbeispiel. Zuvor war sie ungleich größer in der Kunsthalle Tübingen zu sehen. Kuratiert wurde von den beiden Direktorinnen Nicole Fritz und Monika Pessler, gemeinsam hat man auch die umfassende Publikation konzipiert.

Dort eine eher groß dimensionierte Institution in Hanglage, die erst einmal gefüllt werden will, hier eine zum Museum gewordene Wohnung von historischer Bedeutung mit notorischem Platzmangel. Bewegte man sich in Tübingen gleich einer Initiation chronologisch durch die Themen Traum, Eros & Thantatos aufwärts zum Unheimlichen als Höhepunkt, ist es in Wien bereits der Ort selbst, dem das Unheimliche eingeschrieben ist. Sigmund Freud hat hier in der Berggasse 19 bis zu seiner Vertreibung gelebt und gewirkt. Danach wurde die leer gewordene Immobilie vom NS-Regime zur Internierung ihrer Opfer aus der jüdischstämmigen Bevölkerung genutzt. Das Wissen darüber ist unheimlich genug.

In seiner Abhandlung über „Das Unheimliche“ von 1919 geht es auch darum, wie die Künste bestimmte psychische Vorgänge auslösen und Empfindungen hervorrufen können. Spannte die Kunsthalle Tübingen noch eine Bogen über mehr als ein Jahrhundert Kunst gewordene Rezeptionsgeschichte, konzentriert man sich in Wien auf vergleichsweise wenige präzise Beispiele. Dabei muss „unheimlich“ nicht unbedingt auch unmittelbar bedeuten, dass man dies auch plakativ umgesetzt bekommt. Jeff Wall etwa, der in „A Woman and her Doctor“ (1980-81) seine Ehefrau und seinen Vater für die Situation einer rauchenden Patientin und ihren Analytiker posieren lässt. Oder das Schriftbild von Louise Bourgeoises, das mit den Worten „THE RETURN OD THE REPRESSED“, beim Betrachten sogleich eine Kette von Assoziationen hervorruft. Cindy Sherman mit ihrer devastiert wirkenden Puppe samt Einblick in deren Innenleben beweist ebenso wie Gregory Crewdson einmal mehr Meisterschaft darin, dass man beim Anblick der Fotografien von einem sofortigen Schauer befallen wird. Hier ist es das befremdliche Szenario von einem Vater, der mit Sohn und Tochter beim Abendbrot sitzt, während die Mutter nackt, von draußen in das vermeintlich heimelige Umfeld tritt.

Doch ist es neben den Inszenierungen bisweilen das Leben und das Reale selbst, das durchaus perfekt in die Thematik passt. Esther Shalev-Gerz zeigt in ihrem Video „Between Listening and Telling“ alleine den Moment des Schweigens von Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, der sich ergibt während die Befragten das Erlebte memorierend, über eine Antwort auf die eben gestellte Frage nachdenken. Bei Kai Walkowiak ist es hingegen die Erzählung auf der Tonspur von „Childhood Kingdom“, die das Unheimliche an einem Ort der Kindheit transportiert. Wäre der Zusammenschnitt von Fotografien der modernistischen Villa der Großeltern mit einem entsprechenden Text unterlegt, könnte es sich ebenso gut um eine Dokumentation über das Eigenheim des Architekten handeln.

Zwischen Raum- und Körperkunst anzusiedeln sind die „Häutungen“ von Heidi Bucher, bei denen sie Mobilien und Immobilien mit einer glänzenden Latexschicht überzog, die danach getrocknet und elastisch, performativ wieder abgezogen wurden. Eingeschrumpft und gerahmt können diese Relikte von Insitu-Konstellationen in andere Räume und Kontexte transferiert werden. Abgelegt und drapiert erweist sich Stephanie Pflaums für diesen Ort konzipierte, aufwändig gefertigte Objekt „Haut“ im Schauraum der Bergasse 19 als lesbare Seelenlandschaft. Neben Glanz und Glitzer finden sich Makel, Versehrtheiten, in einer darunter liegenden Schichte allerlei Verstörendes. Doch überaus passend. Befinden wir uns ja schließlich an jenem Ort, an dem das therapeutische Verfahren des unter die Haut Blickens entwickelt wurde.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Das Unheimliche. Sigmund Freud und die Kunst
26.04. - 04.11.2024

Sigmund Freud Museum
1090 Wien, Berggasse 19
Tel: +43 1 319 15 96
Email: office@freud-museum.at
http://www.freud-museum.at
Öffnungszeiten: täglich 10.00-18.00 h


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