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good bye, mama: Keine Muttermorde

So weit wie Aischylos gehen sie nicht, die KünstlerInnen. Wenn in der von Hannah Stippl kuratierten Ausstellung "good bye, mama" durchgespielt wird, "wie man sie los wird, die Mutter" - so die etwas saloppe Formulierung im Pressetext - dann geht es nicht um Muttermord, wie ihn Orest an Klytämnestra verbrochen hat. Sondern eds geht um eine These der Kinderpsychologie: dass nämlich jedes Erzählen und also auch die Kunst aus dem Verlust der Einheit mit der Mutter resultiere, den man wieder gut machen wolle. Andererseits schiebe das Kind die Schuld an der Abnabelung der Mutter in die Schuhe, und daher bleibe sie ewig die "Adressatin der Aggressionen des Subjekts" - Rachelüste und Selbstzerstörung inklusive. Innerhalb dieses etwas widersprüchlichen Konzepts hat viel ebenso Widersprüchliches Platz. Dieter Huber etwa weist in seiner "Pleasure File" auf autodestruktive Tendenzen hin. Sein Computerprint auf knalligem Orange stellt - für Nichtgeisterfahrer nicht leicht erkennbar - den Schilderbalken auf einer Autobahnauffahrt von hinten dar: Verbote - die prinzipiell mit der Mutter konnotiert werden - werden auf lebensgefährliche Art übertreten, was wiederum Lust bereite. Geisterfahren könnte also als die Erwachsenenvariante der sprichwörtlichen Herdplatte verstanden werden. Und das bockige Kind, das unbedingt auf die Rutsche von Ronald Kodritsch klettern muss, verstaucht sich wahrscheinlich ordentlich die Zehen, weil kurz vor dem unteren Ende eine Betonplatte montiert ist. Auf der anderen Seite wird die Rolle der Mutter selbst thematisiert. In der melancholischen Bleistiftzeichnung auf aprikotfarbenen Molino von Letizia Werth wird eine weinende Frau von einem dunklen Wald überschattet - trauert sie um den Verlust des Kindes? Rätselhaft bis mysteriös wirkt auch eine Fotografie von Chloe Potter, auf der eine Schwangere undeutlich hinter Blätterwerk erkennbar ist. Auf dem Foto daneben rankt sich ein erwachsener Mann in Embryonenstellung - hat hier die Loslösung nicht funktioniert? Didaktische Strenge kann nerven. Kuratorische Lockerheit dagegen kann sympathisch sein. Allerdings sollte sie dazu nicht ins Anything-goes abgleiten.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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good bye, mama
08.04 - 28.05.2004

Galerie IG Bildende Kunst
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 10-12
Tel: +43 1 524 09 09, Fax: +43 1 526 55 01
Email: galerie@igbildendekunst.at
http://www.igbildendekunst.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr


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