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Isa Melsheimer - Fortlaufender Prozess der Verbesserung: Bauen im Anderswie

Ein halbhoher, dunkelbrauner Baumstumpf steht auf hellem Parkettboden. Der Stumpf glänzt, wie man es von versteinerten Baumstämmen her kennt. Tiefe Furchen ziehen sich senkrecht über den Stamm wie uralte Rinde. Erst der Gang um das Objekt herum offenbart eine glatte Seite mit einer kreisrunden Öffnung – ein versteinertes Spechtloch womöglich. Die Zusammenschau mit ähnlichen, im selben Raum angeordneten Gegenständen erschließt die Machart aus Ton, der Ort als Galerie definiert die skulpturale Eigenschaft des Präsentierten.

Isa Melsheimer beginnt ihre Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan mit einer neuen Werkserie, in der sie ihre Auseinandersetzung mit gebauter Architektur weiterführt. In der Konfrontation von Gebäuden der Moderne, etwa von Le Corbusier, mit einer vom Menschen veränderten Natur war sie dem Anthropozän auf der Spur. Nun zeigen sich erste Spuren eines neuen Zeitalters in den Werken der Professorin für Keramik an der Muthesius Kunsthochschule zu Kiel. Die Wirtschaft des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts basiert auf der uneingeschränkten Unterwerfung und Ausbeutung des Planeten Erde. Die Architektur entwickelt immer neue Verfahren und Techniken, um immer gewagtere Entwürfe umsetzen zu können, doch der beginnende Mangel an Ressourcen zwingt zu einem globalen Umdenken. Rund 3500 Unternehmen in Australien exportieren den Sand des Kontinents um die Bauwut auf der Arabischen Halbinsel zu befriedigen, denn der vom Wind rundgeschliffene Wüstensand eignet sich nicht für den Beton den die Megabauten Dubais benötigen. Alleine in Österreich wird täglich eine Fläche von rund 20 Fußballfeldern verbaut. Alte Häuser und Bürobauten werden lieber abgetragen und neu errichtet, ohne dass eine grundlegend neue oder andere Nutzung ersichtlich wäre, die diese Neubauten rechtfertigen würde. Der herrschende Kapitalismus verlangt nach immer Neuem. Wiederverwertung oder Reparatur generieren eine zu geringe Wertschöpfung um für „die Investoren“ interessant genug zu sein. In der Natur hingegen werden vorhandene Bauten vielfach weiter genutzt. Auf Specht folgt vielleicht Eichhörnchen, auf Hasenkinderstube folgt Dachsbau und Störche bauen Jahrelang an ihren Nestern weiter.

So wie viele Künstler:innen, beruft auch Isa Melsheimer sich auf die Schriften Donna Harroways und das von dieser ausgerufene Ende des Anthropozäns. Nicht die Unterwerfung, sondern nur eine Achtsamkeit der Natur und ihren Lebewesen gegenüber soll der Menschheit demgemäß das Überleben ermöglichen.
In diesem Chthuluzän, nach Harroway ein Name für ein „Anderswie, für ein Anderwann, das war, immer noch ist und sein könnte“, nimmt auch die Architektur Anleihen aus der Natur, darf Wuchern, von Nutzer:innen angepasst und damit fortlaufend verbessert werden. Anders als Friedensreich Hundertwasser führt bei Melsheimer die gerade Linie aber nicht zum Untergang der Menschheit, sondern verliert ihre Dominanz und fügt sich gleichberechtigt ein in einen Prozess, der kein Ende der Fertigstellung mehr kennt. Architektur wird damit zu einem Prozess und sichtbarem Zeichen einer Demokratisierung, in der Ressourcen nicht mehr verbraucht, sondern genutzt und weiter gegeben werden. Isa Melsheimer bereitet dafür schon mal neue Landmark Buildings vor.

Mehr Texte von Werner Remm

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Isa Melsheimer - Fortlaufender Prozess der Verbesserung
30.03 - 13.05.2023

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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