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Hubert Lobnig, Lazar Lyutakov - Hanging Gardens: Gärten bedrohter Existenz

Für gewöhnlich kreieren Ausstellungen zu Umweltschutzdebatten Dystopien, die beunruhigen und warnen wollen. Nicht so die Galerie3-Zusammenstellung „Hanging Gardens“: Reduzieren sich die hier ausgestellten Werke des gebürtigen Völkermarkters Hubert Lobnig und des bulgarischen Konzeptkünstlers Lazar Lyutakov auf optisches Wechselspiel, wohnt ihnen ein widerständiges Moment inne, das ehrlicher – auch banaler und alltagstauglicher – wirkt. Da unmittelbare Gewalt oder Ausbeutung der friedlichen Intervention und pervertierten Alltagssituation weicht, erschließt sich die Drastik der Ressourcenknappheit dann ohne sich aufzudrängen.

Zunächst dynamisiert sich die Ausstellung durch ihre luftige Anordnung. Farbige, zu Ensembles angeordnete Lampenobjekte baumeln da in ansehnlicher Unordnung von Schnüren herab. Dahinter, in Kontradiktion zu Lyutakovs seit 2008 stetig erweiterter Lamp-Series, bespielen silberig schimmernde, fast ausschließlich aus grau-weiß Tönen bestehende Naturdarstellungen Herbert Lobnigs die Wände. Sie leiten den Blick in Baumkronen, plädieren unterschwellig für den Erhalt der Natur, der bereits an Farbe und Kontur verloren hat. Gewissermaßen sind Lobnigs Werke ähnlich wie Lyutakovs zusammengefügte Readymades: Wollen die einen auf den ersten Blick bloß ästhetisch ansprechende Lampen sein, funktionieren die anderen auch als bloße Naturmalereien, schriebe sich da nicht eine den Werken anheftende Reaktion auf das fehlenden Ressourcenbewusstsein ein, der sie janusköpfig erscheinen lässt.

Der Clou der Ausstellung liegt unter der fassbaren Oberflächlichkeit. Beide Künstler täuschen ihr Publikum, indem sie sich in Erwartungshaltungen einfügen, um sie zu brechen: Schweift der Blick zunächst von der Ferne auf Lyutakovs Lampenensembles, lassen diese an Designerprodukte Louis Poulsens, Artemides oder Ingo Maurers denken, wäre da nicht ihre „lowe“ Aufmachung, die sich erst im Zuge des Nähertretens offenbart. Auch ist die Wärme des den Anschein einer wohligen Atmosphäre erweckenden Lichts nur Schein. Die vermeintliche Glattheit des Werkkomplexes macht dann allmählich dem Gefühl des Stümperhaften Platz, sobald die Einzelbestandteile in ihrem industriell gefertigten Material zu Tage treten. Tupperware, Plastikeimer, Kunststoffbehälter, Plastiksiebe und Verschlüsse werden sichtbar, auch die unsaubere Verarbeitung in Form von Fransen, Lücken und Ecken in den Werken und ihrer bewusst nicht meisterhaften Zusammensetzung. Nicht unbemerkt bleiben die am Boden liegenden Verteiler und Verlängerungskabel, sind sie doch als ubiquitäre Teile, bezugnehmend zum Alltag privater Häuslichkeit, abermals als Gegenspieler konzipiert. Gekonnt verleiht der Künstler dem Plastikmüll des Alltags eine Erhabenheit, die den Wert der Dinge, den Wert der Kunst, neu kontextualisiert. Lyutakov zeigt, dass alleine die Anreicherung minderer Gegenstände mit Hochwertigkeit suggerierenden Referenzen eine Begierde auslösen kann, die dem industriell gefertigten Ding eine Aura verleiht, den Geschmack trügt und hinters Licht führt. Die Rede ist von wohltemperierten Stimmungen und Farbkombinationen wie dem Spiel mit komplementären Lichtfarben, wie sie auf Moden der Ober- und Mittelschicht zugeschnitten sind und bewusst trügerisch den Schönheitssinn bedienen.

Begibt sich die Lamp-Series von Lyutakov spielerisch in Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen Massenkonsum durch die Verwertung von Plastikmüll, die Sakralisierung wertloser Massenobjekte, ist Herbert Lobnigs Zugang fundamentaler. Auch entspringen seine Naturmalereien aus dem lockeren Umgang mit dem Sujet der Malerei heraus einer inneren Freiheit existentieller Natur. Das Malen eines Baumes wird bei ihm zum meditativen Prozess, zum Vortasten von Strich zu Strich. Unscheinbar daherkommende, fast in die Formlosigkeit driftende Werke wie Die Räumung erzählen mit ihren improvisierten Baumhäusern, hölzernen Plattformen, Transparenten und aktivistischen Gesten von einem in Österreich kaum bekannten, im angloamerikanischen Raum omnipräsenten zivilen Ungehorsam der Baumbesetzung, der hierzulande erst kürzlich im Zuge der Wiener Lobauautobahn von Aktivist:innen entdeckt wurde. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass sich auch Lobnig selbst in seinen Studienjahren als Au-Besetzer engagiert hat. Menschliches Zutun, es wird wie bei Lyutakov unsichtbar sichtbar, ohne präsent sein zu müssen, Mensch und Umwelt gehen ineinander über. Dass Lobnig auch anders kann, zeigt seine Exaktheit und technische Ausgereiftheit in Werken wie Das Lager, bestehend aus einem schwarz-weiß-Zusammenspiel von in die Dreidimensionalität ausartenden Rechtecken mit Schattierungen und spielenden Kontrasten. Durchbrochen wird diese Starrheit nicht zufällig durch das sich gegenüberliegend erstreckende Werk o.T (Nester), einem Paradebeispiel ungebundener Linienführung, wo der Künstler dem ihm so liebgewordenen Privileg anheimfällt, aus allen technischen Konditionen auszubrechen. Dazu sei gesagt, dass dieses dialogische Moment zwischen Farbpracht und Monotonie, zwischen Statik und Dynamik, zwischen Konkreta und Abstrakta, der ausgeklügelten Zusammenstellung zugrunde liegt. Dass unmittelbar daran anschließend eines der edel anmutenden Lampenobjekte auf verlorenem Posten hängt, ist geradezu bezeichnend. Der leicht grünliche Schimmer des grün-weißen Gegenstandes hinterlässt seine Schatten auf Lobnigs Werk. Im nachfolgenden Raum artet die Arbeit o.T (Stiege und Leitern) dann in vernetzten Natur- und Interventionsdarstellungen mit aus den Rahmen fallenden Leitern, Transparenten und Bäumen in die Unkenntlichkeit aus. Gegenüber wird es wieder leibhaftiger und unmissverständlicher: Das zur Abwechslung bunte, kleindimensionale Gemälde Camp, das den Blick auf die Baumkronen aus der Froschperspektive einfängt, gibt dann der Natur ihre Macht zurück und lässt Betrachtende im Angesicht des Baumes klein und unterwürfig werden.

Bemerkenswert ist der unterschwellige Facettenreichtum, der Dynamik verleiht. „Hanging Gardens“ – und das ist vielleicht die Stärke – geht trotz inhaltlich und formal bedeutungsähnlicher Positionen nicht im Sumpf der Monotonie unter. Dabei sind es Kleinigkeiten: Bewusste, vielleicht zufällige Hängungen, Dialoge, Widersprüche und Blickverschiebungen machen den Unterschied.

Mehr Texte von Florian Gucher

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Hubert Lobnig, Lazar Lyutakov - Hanging Gardens
11.03 - 15.04.2023

Galerie3
9020 Klagenfurt, Alter Platz 25 / 2.Stk.
Tel: +43 463 592361, Fax: +43 463 592361
Email: galerie@galerie3.com
http://www.galerie3.com
Öffnungszeiten: Mi u. Fr 11-18, Do 11-20, Sa 10-12 Uhr


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