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Kresiah Mukwazhi - Kirawa / Jordan Strafer - Loophole: Themis schaut dich an

Die Ausstellungen Kirawa (Ort des spirituellen Widerstands) in der Galerie im Untergeschoss und Loophole (Schlupfloch) im Grafischen Kabinett (oben) in der Wiener Secession locken das Publikum mit schwärmerischen Titeln und lassen es später verblüfft zurück: Was auf den ersten Blick verführerisch erscheint, wirft viele Ungereimtheiten und Ambivalenzen auf. Insbesondere dann, wenn es sich um Fragen der Rechtsordnung, der Rechte, geschlechtsspezifischer Gewalt und Ausbeutung handelt. Die beiden Ausstellungen der jungen, in den 1990ern geborenen Künstlerinnen markieren dabei eindrucksvoll zwei entgegengesetzte Extreme: die New Yorkerin Jordan Strafer lotet in ihrem Video Loophole das Funktionieren des westlichen, geregelten, hier amerikanischen Rechtssystems mit seinen Institutionen sowie deren Urteilskraft aus. Die aus Zimbabwe stammende Kresiah Mukwazhi durchleuchtet dagegen in ihren Filmen, Installationen, Malereien und Textilarbeiten das missbräuchliche Handeln des repressiven Politsystems und die patriarchalen Verhaltensmuster der (Frauen)Unterdrückung in ihrer Heimat, die keine diesbezügliche Rechtsordnung parat hat, keine bindenden Normen und Regeln und auch die Justiz arbeitet nicht wie im Westen. Mit ihrer Kunst, von tragischen Frauenschicksalen z.B. der Sexarbeiterinnen in expressiv-ausdrucksstarken Bildern die als Stoffplanen lose an den Wänden hängen ermutigt sie diese als Subjekte zur Selbstermächtigung. Die Künstlerin engagiert sich aktivistisch für Frauenrechte gegen das Regime ihres Heimatlandes und geht durch ihre kühnen Visualisierungen auf Konfrontation. Mukwazhi hat für ihr Handeln einen individuellen Gerechtigkeitssinn entwickelt – für sie bilden diskriminierte Frauen ein Heiligtum. Kirkawa bezeichnet den heiligen Ort, der als site-spezifische Installation in der Secessions-Ausstellung aufgebaut wird: Im Kreis gelegte Steine, weißes Tuch und junge Bäume, die unwillkürlich an das frühe Motto der Secession Ver sacrum erinnern, bringen nicht nur Heilung, sondern stehen, so die Künstlerin, für Formen des gewaltlosen Widerstands in Afrika.

 Die Sichtweisen von Strafer und Mukwazhi auf geschlechtsspezifische Gewalt und Rechtsordnung vereinen sich im zentralen Objekt der Betrachtung: Der Mensch und seine unbefriedigten Begierden bzw. seine „libidinösen Aufladungen“. Ihre Intensität und Aufdringlichkeit hat etwas Schamloses an sich, wovon auch Loophole handelt. Der Film stellt den Vergewaltigungsprozess gegen William Kennedy Smith 1991 nach und erweitert ihn um eine nicht stattgefundene Affäre des Anwalts der Verteidigung mit einer Geschworenen. Das Justizspektakel endete damals mit einem Freispruch des Angeklagten. Ästhetisch stellt Strafers Werk das Gegenteil der Arbeiten von Mukwazhi dar. Die Einzelaufnahmen konzentrieren sich augenscheinlich auf das Fragmentarische und dann so, dass die kleinen Details als das Nebensächliche ziemlich beredt zur Sprache kommen als wären sie die Realität aus der ersten Hand gewesen. Als Vorbilder dienten der Künstlerin nicht nur via Fernsehen übertragene Gerichtsprozesse, sondern ebenso reißerische Blockbuster damaliger Zeit wie zum Beispiel Basic Instinct oder die erotisierten Musikvideos von Madonna.  Gleichgültig wie man Strafers Video und die Handlungsmotive, diesen Prozess in Zeiten nach #metoo erneut aufzurollen, interpretiert, ob als Motiv der Wunsch nach Abschaffung von Gender suggeriert wird (Kerstin Stakemeier im Katalog), oder ob es hier um ein fragwürdiges Gerichtsverfahren und eine untaugliche Justiz an sich geht, der Film zeigt, dass die Gerechtigkeit (durch das Begehren) ein menschliches Antlitz hat. Auch wenn die beiden Künstlerinnen, jede mit anderer Begründung, einen Hang zur Ironie oder zum Humor an den Tag legen und ein eigener Gerechtigkeitssinn entfaltet wird, stellt sich die Frage, ob die Wahrheit in eine institutionelle Ordnung überhaupt eingebettet werden kann. Schlussendlich ist Themis, die Göttin der Gerechtigkeit eine Frau mit verbundenen Augen, die dem Charme eines Rechtsanwalts erliegt, der ein Auge zudrückt.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Kresiah Mukwazhi - Kirawa / Jordan Strafer - Loophole
17.02 - 22.04.2023

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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