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Sorry, Rundgang!

Im Wissen um die Gewalt, die der Vielfalt des Rundgangs (ein Feuerwerk der Produktivität auch dieses Jahr) in einem kurzen Übersichtstext angetan wird, und sie vorweg auf die Spitze zu treiben, soll hier nur ein einziges Werk Erwähnung finden: im dritten Stock des Semperdepots haben Sara Schmiedel und Moritz Martin aus der Bühnenbildklasse der Unumkehrbarkeit von Entscheidungen und damit der schleichenden Eliminierung von zukünftigen Handlungsmöglichkeiten eine Form verliehen, die auf den Punkt gebracht ist, Relevanz hat, und in ihrem Schrecken Schönheit entfaltet. Beispiellos wurde hier der Raum genutzt, um Wirkung entfalten zu können. Und auch im anliegenden Atelier zeigten sich die BühnenbildnerInnen als ganzheitliche DenkerInnen, bespielten gemeinsam ihre Arbeitsplätze in einer gelungenen Symbiose zwischen offenen Ateliers, Denk- und Ausstellungsraum und Bar. Plus, der ausgeschenkte Vodka off the menu machte schließlich den Unterschied.

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Einige allgemeine Beobachtungen, die aktuellen Tendenzen der verschiedenen Fachbereiche betreffend: Die Malerei ist überwiegend dem Figurativen und Naiven verschrieben, dem Erzählerischen und (leicht) Verständlichen – wobei dieses Urteil ungerecht ist, bei der Fragmentierung, der die Werke der KünstlerInnen anheimfallen. Die filmischen Arbeiten, die den Vorteil der zeitlichen Erstreckung hätten, wenden sich dagegen eher der Abstraktion zu – als wäre das reine Erzählen zu einfach. Dazu ist oft eine Zuwendung an das Prägnante und Lustige zu beobachten, vor allem im installativen und skulpturalen Bereich. Die Werke werden zu sketches. Die ArchitektInnen zeigen die vielleicht kreativste und versierteste Sensibilität in ihren Erkundungen von Raum im Bezug zum Menschen. Und die Performance-Klasse fiel erst durch ihre federführende Rolle im Zuge der Besetzung der Aula auf, im Anschluss aber eher durch ihre Unsichtbarkeit.

Der alljährliche Rundgang der Akademie ist etwas Besonderes: Studierenden, denen sonst weitgehend die Möglichkeit fehlt, wird hier eine Plattform gegeben, die eigene Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Eine Flut an um Aufmerksamkeit konkurrierenden Werken tut sich auf, die Vorstellung der eigenen Arbeit beschränkt sich gezwungenermaßen auf eine minimale Auswahl, Werke noch im Stadium des Entstehens, KünstlerInnen im Findungsprozess, Arbeiten, die das Atelier noch nicht verlassen haben – ungewöhnlichste Rahmenbedingungen weitab des natürlichen Habitats, der Einzelausstellung im white cube. Oder gehört die Kunst nicht doch viel eher ins Atelier, in den Prozess, ins Unfertige und zum Einzelereignis? Wird die Kunst im Atelierhaus ihrem Ursprung zurückgeführt und der Konstruktion der weißen Ausstellungswand entrissen?

Die Studierenden wollen die weiße Wand scheinbar nicht missen. Ein Kompromiss als Ausweg aus der notgedrungenen Verhandlung des wenigen Raums unter vielen Parteien. Fast nie wird hier die Einzelposition aufgegeben und die bestehende Fläche gemeinsam bespielt. Gruppenprojekte – eigentlich doch hoch im Kurs? Fehlanzeige. Das Gemeinsame wird als gegenseitige Achtung, als Einigung auf gemeinsame Grenzen verstanden, der public space bleibt doch eine Aufzählung von private spaces. Alles sehr aufgeräumt, respektvoll wird ein annehmbares Gesamtbild für alle gesucht. Heraus sticht da, was eben auffällt – je nach Kontext Unterschiedliches. Die GewinnerInnen der Aufmerksamkeit sind die, die sich anpassungsfähig zeigen. So zeigt sich das Ganze als reglementierter Marktplatz.

Zwar setzt angesichts dessen ein Unbehagen ein bei Einigen, die der Forderung nach Abgeschlossenheit ihres Produkts misstrauen und die Fesseln von Oberflächlich- und Zufälligkeiten – der Nachbarschaft des Kunstwerks – nur zu sehr spüren. Aber reflektiert werden diese Umstände doch weniger. Ist das pragmatisch oder Zeichen von Ausweglosigkeit? Muss sich die Kunst überhaupt mit sich selbst beschäftigen? Es ist nicht so, als löste sich der Blick aus dem Spiegel. Die Kunst ist zwar nicht mit sich selbst, aber die KünstlerInnen mit sich beschäftigt. Nicht Klima, Krieg, Kunst, Politik – das meistverhandelte Objekt ist das Subjekt. Der Atelierplatz wäre grundsätzlich der geeignete Ort, um Einblicke in diese Meditationen zu gewähren – bei der Stichprobenhaftigkeit, die der Rundgang nur zulässt, bleiben diese aber leider oft nur sehr oberflächlich.

Auch diese Selbstbetrachtungen haben zwar eine politische Dimension. Und die Verweigerung einer Politisierung der künstlerischen Arbeit kann ja auch als Widerstand gegen eine solche Vereinnahmung verstanden werden. Aber angesichts der Dringlichkeit politischen Handelns – angesichts der Alltäglichkeit eines Begriffs wie der „Letzten Generation“, angesichts auch Angriffen auf ein „business as usual“ das Verantwortungsträger:innen vorgehalten wird – wirkt das Festhalten am Konzept der weißen Ausstellungswände und am klassischen Werkbegriff ein bisschen banal, genauso die Hängung von aktivistischen Parolen („WOMAN LIFE FREEDOM“), auch, wenn diese die Form von Fragen annehmen („How can we replace modes of competition with collaboration?“/ „What the fuck is a non-binary university?“).

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Der Rundgang der Akademie der bildenden Künste Wien fand vom 19. bis 22. Jänner statt.
--> www.akbild.ac.at

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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