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Super „Mario Majerus“

Anlässlich des 20. Todestages von Michel Majerus findet aktuell an gleich 18 Stationen die Ausstellungsreihe „Michel Majerus 2022“ statt. Ende des Jahres nun sind auch die drei großen Einzelausstellung in den KunstWerken Berlin, dem neuen berliner kunstverein und dem Kunstverein in Hamburg eröffnet. Abgeschlossen wird die Reihe, die im Sommer mit einer klugen Ausstellung im Berliner Michel Majerus-Estate begann (--> siehe die artmagazine Kritik), dann Anfang 2023 mit einer großen Ausstellung im Museum Mudam in Luxemburg (31. März bis 1. Oktober 2023).

Die KunstWerke Berlin widmen sich in ihrer Ausstellung „Early Works“ der frühen Schaffenszeit des in Luxemburg geborenen Künstlers. Über 80 Arbeiten aus dem Zeitraum von 1990 – 1996 werden präsentiert, nicht wenige sind zum ersten Mal ausgestellt. Als „Frühvollendeter“ fast erscheint er in der Ausstellung, denn auch für den „späteren“ Majerus typische Arbeiten kann man dort schon sehen, etwa das Bild „o. T.“, 1992, das heute zu seinen bekanntesten Werken gehört. Die prägnant-popigen Worte „COOL WOOL“ sind da zu lesen, und zwar genau in der sachlich-strengen, im monochromen Schwarz gehaltenen Typographie, die den US-amerikanischen Künstler Christopher Wool bekannt gemacht hat. Solch gleichsam ironisch-süffisanter Appropriation tritt in dem Bild „Fuck“, ebenfalls 1992, eine vergleichsweise aggressive Variante zur Seite, die ebenfalls nicht untypisch für Majerus ist: „Fuck Schnabel, Fuck Kippenberger, Fuck Penck, Fuck Haacke …“ ist in grüner Schrift auf weißem Grund zu lesen. Um eine ein wenig postpubertäre Abrechnung mit den männlichen Heroen der zeitgenössischen Kunst also handelt es sich hier. In den KunstWerken ist dann auch das metallene Gerüst „Industrieboden“, 1996, verlegt, das Majerus für seine damalige Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel installiert hatte, um den altehrwürdigen Hallen den Charme eines Techno-Dancefloors zu geben. Diese Installation war damals so etwas wie die Initialzündung für seine spätere Rauminstallationen. Und auch die immer noch ein wenig unterschätzte politische Seite des Künstlers ist in der Ausstellung präsent, zum Beispiel das großformatige Gemälde „eins zwei drei“, 1992, auf dem ein Hakenkreuz gemalt ist, kommentiert mit den Worten „learning GERMAN is easy“. Zu kritisieren an „Early Works“ aber ist, dass die kooperativen Arbeiten von Michel Majerus, die er in der Künstlergruppe „3K-NH“ Anfang der 1990er Jahre, zum Teil noch als Student, gemacht hat, fehlen, wenn man so will „unterschlagen“ werden. Denn auch der Film „Flockenpüree“, 2021/22, von Susa Reinhardt, sie war selbst Mitglied der Gruppe, der die Arbeit dieser Künstlergruppe dokumentiert, ist in „Early Works“ nicht zu sehen, dafür ein Porträtfilm, der den Künstler alleine in den Fokus rückt. Die ansonsten überzeugende Ausstellung will wohl Majerus letztlich doch als eben den individuellen Künstlerhero abfeiern, den er selbst in „Fuck“ kritisiert hat. Dennoch ist „Early Works“ die große Überraschung in der Ausstellungsreihe „Michel Majerus 2022“.

Ein wichtiges Exponat aus dem Frühwerk zeigt derzeit übrigens auch die Berliner Galerie neugerriemschneider, nämlich die für ihn wegweisende Rauminstallation „Gemälde“, 1994, in der Malerei, Zeichnungen und die Nachbildung eines Segments des vor der Galerie liegenden Fußweges vom Künstler kombiniert wurden. 

Der „Kunstverein in Hamburg“ fokussiert sich in seiner ebenfalls sehenswerten Ausstellung „Data Streaming“ auf Arbeiten von Michel Majerus, die sich mit dem Digitalen und seiner Reflexion in der Bildenden Kunst auseinandersetzen. Das Digitale hat Majerus sein ganzes kurzes Leben als Künstler - er starb bereits im Alter von 37 Jahren – fasziniert, insbesondere dessen Eigenschaft, den postmodernen Bilderfluss mit Hilfe geschwinder Pixelästhetik noch einmal mehr zu forcieren und gleichzeitig zu entmaterialisieren. So verwundert es auch nicht, dass in seinen Bildern immer wieder Figuren aus Computerspielen, zum Beispiel „Super Mario“ und „Donkey Kong“, eine wichtige Rolle spielen. In „Space Invaders“, 2002, etwa setzt der Künstler; übrigens selbst ein „Gamer“, dem gleichnamigen, schon 1978 auf den Markt gekommenen Computerspiel-Klassiker ein prägnantes schwarz-weißes Denkmal. Auf dieser großformatigen Bild, es zählt zu den überzeugendsten der Ausstellung, bewegen sich auf der schwarz gestrichenen Oberfläche der Leinwand die „Aliens“ nicht mehr, still gestellt sind sie bei diesem Schießspiel gleichsam zum Abschuss für die am unteren Bildrand platzierte Kanone freigegeben und werden dabei zu Hybriden von abstrakter und gegenständlicher Form. 

Im neuen berliner kunstverein schließlich steht in der Ausstellung „Michel Majerus“ das installative Werk im Mittelpunkt. Leider aber konnten viele der wichtigen Raumarbeiten des Künstlers hier, auch aus Platzgründen, nur als Modell oder dokumentiert in Fotos oder Videos vorgestellt werden. So zum Beispiel seine sowohl in- wie outdoor funktionstüchtige Skaterrampe „if we are dead so it is“, 2000, und die Installation „Sozialpalast“, 2002, bei der Majerus für mehrere Monate ein Foto eines „heruntergekommenen“ Wohnblocks aus Berlin-Schöneberg flächendeckend an den „Touri-Hot-Spot“ Brandenburg Tor gehängt hatte. Höhepunkt der Ausstellung ist die Arbeit „melt piece“, eine Rauminstallation, in deren Zentrum auf einem schwarzen Gitter der Digitaldruck einer geschmolzenen (= melt) Musikkassette hängt. Die amorphe Form der Kassette steht im wohlkalkulierten Gegensatz zur dem streng geometrischen Trägergitter, der wiederum in ein in den Raum hineinragendes, sanft geschwungenes Sockelelement übergeht, dessen Farbigkeit unter anderem die der Kassette aufnimmt. So verzahnen sich hier gleichsam Träger, Bild und Sockel subtil zu einem widerspruchsvollen und gleichzeitig harmonischem Gesamteindruck.

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Alle Ausstellungen finden sich auf der eigens eingerichteten Website
--> michelmajerus2022.com

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