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Broken Music Vol. 2 - 70 Jahre Schallplatten und Soundarbeiten von Künstler*innen: Die TonART der Schallplatte

Was kommt heraus, wenn bildende Künstler:innen quasi zu „Schallplatten-Spielern“ werden? Die Antwort auf diese Frage ist erst einmal einfach: Sie entwerfen die Cover oder sie machen die Musik, die auf dem platten Rund zu hören ist. Manchmal machen sie auch beides. Die Ausstellung „Broken Music Vol. 2“ zeigt mit gut 700 Schallplatten die ganze Bandbreite dieser einfachen Antwort auf und plötzlich wird es überaus spannend und komplex. Nicht nur die gesamte jüngere Kunstgeschichte nämlich ist diesen „Scheiben“ ablesbar, sondern auch die Entwicklung der experimentellen und populären Musik. Die Basis für die Schallplatten-Sammlung des Hamburger Bahnhofs bildet übrigens der Bestand des von Ursula Block von 1981 bis 2014 in Berlin geführten Plattenladens „gelbe MUSIK“. Daher auch der Titel der Ausstellung: Bereits 1989 organisierte Ursula Block die Wanderausstellung „Broken Music“ mit Beispielen aus ihrer Sammlung sowie die gleichnamige Publikation, jetzt also folgt „Vol. 2“.

Schallplattencover aus den 1950er Jahren bis heute werden in der überaus sehens- und hörenswerten (etwa ein Zehntel der Exponate können über Kopfhörer angehört werden) Ausstellung präsentiert. Die Klassiker des Genres „Künstlerschallplatte“, wie zum Beispiel das „White Album“ der Beatles, gestaltet von Richard Hamilton, oder „Sticky Fingers“ von den Rolling Stones mit dem funktionstüchtigen Reißverschluss von Andy Warhol, sind da ebenso zu sehen, wie eher unbekannte Cover, etwa mit Motiven von Barbara Kruger, Max Ernst oder Joseph Beuys. Immer noch mein persönlicher Favorit ist das Albumcover für „The Velvet Underground & Nico“, für das Warhol 1967 die legendäre Banane entworfen hat. Ihre gelbe Haut kann dann bei den „Originalplatten“ abgezogen werden, so dass das farblich symbolträchtig ins rosa-rötliche verfremdete Fruchtfleisch sichtbar wird. Warhol wird zudem für diese bahnbrechende Platte als Produzent aufgeführt.

Die musikalischen Produktionen der bildenden Künstler:innen reichen von frühen experimentellen Übungen, etwa im Kontext der Konkreten Musik oder der Fluxus Kunst, bis hin zu Rock- und Technomusik der letzten Jahrzehnte. Nicht zuletzt ein Crossover von Musik und Kunst, von High and Low steht hier immer wieder im Mittelpunkt. Beispielhaft hierfür ist etwa Dave Allens interdisziplinäres Projekt „It swung back and forth“, bei dem vor Lautsprechern hin- und herpendelnde E-Gitarren das dabei entstehende Feedback als Musik vorführen. Dieses Vinyl des schottischen Künstlers spielt an das E-Gitarrenspiel etwa von Jimi Hendrix genauso an wie an die Performance „Pendulum Music“, die der US-amerikanische Minimal Musiker Steve Reich 1968 erstmals im New Yorker Whitney Museum of Modern Art mit freischwingenden Mikrophonen vorgeführt hat.  

Zu den etwa 700 Schallplatten sind hier noch wichtige Videos und Soundinstallationen, zum Beispiel von Dominique Gonzales-Foerster, Christina Kubisch und Susan Philipsz ausgestellt, die ebenfalls das Verhältnis von Musik, Ton, Kunst und deren Rezeption thematisieren. So auch Douglas Gordon mit seiner frühen Videoinstallation „Douglas Gordon Sings the Best of Lou Reed & Velvet Underground (For Jan Bas Ader)“, 1993,: Ein Monitor steht auf einem Teppich, das Video auf dem Monitor zeigt wie der noch junge Künstler auf eben diesem Teppich liegt. Dabei hört er über Kopfhörer die im Titel der Arbeit angesprochenen Songs und singt diese gleichzeitig. Der Künstler behauptet sich da entspannt als „aktiver Rezipient“ (John Fiske), die Grenzen von Fan und Produzent, von bildender Kunst und (Rock)musik, also auch von Bild und Ton werden wieder einmal fließend. Klingt gut!

Mehr Texte von Raimar Stange

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Broken Music Vol. 2 - 70 Jahre Schallplatten und Soundarbeiten von Künstler*innen
17.12.2022 - 14.05.2023

Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart
10557 Berlin, Invalidenstraße 50- 51
Tel: +49 30 266424242
http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/home.html
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr10-18, Do 10-20, Sa, So 11-18 h


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