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Der Porzellan Code – One Million By Uli Aigner: Nicht weniger als ein Leben lang

Welch' passender Ort für dieses groß angelegte Projekt. Vielleicht kannte man Uli Aigners Porzellangefäße, vornehmlich Tassen, bereits aus diversen Museumsshops, hier im Museum für Vor-und Frühgeschichte auf der Berliner Museumsinsel findet nun erstmals eine umfassende museale Präsentation statt. Dass es dabei um weitaus mehr geht als um Tableware, lässt bereits der Name des Projektes vermuten: ONE MILLION. Seit 2014 dreht Uli Aigner Porzellan-Essgefäße mit dem ambitionierten Ziel bis an ihr Lebensende 1.000.000 davon hergestellt zu haben. Jedes Teil wird durchgehend nummeriert, zu jedem wir ein interaktiver Datensatz im Netz angelegt, der jeweilige Standort ist auf einer digitalen Weltkarte verzeichnet und wird Teil eines immer dichter werdenden Netzwerkes, einer analogen Welt im Digitalen. Im musealen Kontext nun, verlieren sie für den Moment ihren Warencharakter, gliedern sich im Rundgang ein unter die Exponate der ständigen Sammlung aus der Trichterbecherkultur, Jung- & Spätbronzezeit der Lausitzer Kultur, mit einer Selbstverständlichkeit, als wären sie immer schon da gewesen. Ausgewählt von Kurator Benjamin Wehry lassen sich hier vom eher klein dimensionierten Item 1 über die jüngste Produktion Item 6896 bis hin zu den beiden Monumentalgefäßen Item 3501 & 3502 entdecken. Am Weg dorthin, gleichsam als Einführung in den Kosmos des dieses umfänglichen Vorhabens, wird man vorab auf den aktuellen Stand gebracht.

Es beginnt bereits in der Treppenhalle des Neuen Museums, dieser Transitzone zwischen Straße und Ausstellungssälen. Viel umbauter Raum, Tageslicht, die monumentale Treppe endet in einem breiten Absatz, der die beiden Gebäudeflügel verbindet, auf der gegenüberliegenden Seite der Halle ist das ganze ohne Treppe als Galerie mit Weitblick angelegt. Hier auf, um und unter einem massiven Museumstisch finden sich als Archivskulptur all die Gefäße, in verschiedenen Stadien ihres Entstehungsprozessen, die es, aus irgend einem Grund nicht in die Welt geschafft haben, gleich daneben mit Reshape II ein Video, das allen bislang entstandenen Gefäßen, rund 7000 sind es mittlerweile, 3 Frames widmet. Im Zusammenschnitt wird daraus ein sich stetig veränderndes Behältnis. Eine Weltkarte lokalisiert die einzelnen Stücke dieses amorphen Gebildes an ihrem momentanen Standort.

Uli Aigners Ansatz ist es, „das digitale und das analog-physische in-der Welt-Sein als Gegenüberstellung anzulegen“. Porzellan versteht sie hierbei als ihr politisches Speichermedium, ihre Arbeit an der Drehscheibe als lebenslange Performance. „Es geht um den Wert der eigenen Arbeit, die digitale Beziehung des Einzelnen zum Rest der Welt und letztlich um die Un/Endlichkeit allen Seins.“

Die Aussicht, womit sich die Künstlerin die nächsten Jahre und darüber hinaus beschäftigen wird, hat für sie etwas durchaus beruhigendes. „Mein Lebensende, als behaupteter Endpunkt des Projektes, erzeugt die Vorstellung und birgt die Hoffnung auf viel Zeit für Alle, die sich damit in Beziehung setzen.“ Doch sind dies für Uli Aigner nicht alleine Zukunftsaussichten, es ist nach all den Jahren, all den Projekten ebenso eine Rückkehr zu ihren Wurzeln. Nach ihrer Töpferlehre schloss sie ihr Studium bei Matteo Thun an der Angewandten seinerzeit mit etwas ab, was sie heute weiterführt. Peter Weibel hatte damals 1990 den ersten Computer für die Hochschule angeschafft, was Aigner gleich dazu veranlasste, ihre analoge Keramik digital zu animieren.

Auf dem halben Weg des Ausstellungsparcours schließlich steht man auf der gegenüberliegenden Seite des Stiegenaufganges, wo sich entlang der Brüstung 10 Gefäße im Defilee aneinander reihen. Entstanden sind sie im Austausch mit jenen Menschen, denen sie dediziert sind. Anders als allen anderen blütenweißen Gefäße wurden sie vor dem Glasieren mit einem kobaltblauen QR-Code versehen. Es mag dies auf diesen klassischen, nahezu archaisch anmutenden Gefäßen anachronistisch anmuten, sie sind Speicher wie Speichermedium und stehen beispielhaft für ein umfassendes Denkmodell, künstlerisch, gesellschaftlich, kulturhistorisch, sozial wie politisch. Hier ist jemand angekommen, um zu bleiben.

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--> Uli Aigners Website zu One Million

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Der Porzellan Code – One Million By Uli Aigner
05.10.2022 - 28.05.2023

Neues Museum
10178 Berlin, Bodestraße 1-3
Tel: +49 30 266424242
https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/neues-museum/home/
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20h


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