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Contemporary Istanbul 2022: Forever Startup

Halbe Sachen sind nicht Ali Gürelis Ding. Auf 25 Jahre hat sich der Gründer der Contemporary Istanbul die Hallen in Tersane gesichert. Das riesige ehemalige Werftgelände wird gerade auf links gedreht und soll zu einem großzügigen modernen Zentrum inmitten der chaotischen Gegend am Goldenen Horn werden.

Mit ihrer 17. Ausgabe ist die Messe nicht gerade ein Start Up, doch sie fühlt sich fast jedesmal so an. In diesem Jahr ist sie mit gut 60 Galerien deutlich kleiner als zuvor und weniger international - nach westlichen Maßstäben. Die sollte man hier allerdings nicht anlegen.

Im westlichen Kontext anschlussfähig ist auf alle Fälle das Begleitprogramm, das nicht nur mit mehr als einem Dutzend Skulpturen und Installationen im Außenraum aufwartet. Großkünstler Jeff Koons ist zu einem Artist Talk anlässlich einer Präsentation seines BMW Art Cars angereist. DIe Talks warten unter anderem mit der Leiterin des Tourismus-Zweigs von Hauser & Wirth oder dem Künstlerischen Leiter des Maxxi in Rom in Rom auf. Museumsgruppen werden aus Paris, Madrid, Miami, Dubai, Oslo und in erstaunlich großer Zahl aus Russland eingeflogen.

Wer sich von eingeübten Sehgewohnheiten trennt und auf die junge Kunstszene der Region einlässt, kann hier spannende Entdeckungen machen und einen anderen Zugang zur Kunst erfahren. Dabei ist sicher nicht alles gut, und die Zulassungskriterien dürfen durchaus etwas schärfer sein. Doch die auch international bekannten einheimischen Galerien sind fast alle dabei, wie Sanatorium, Galerist, Zilberman oder Pi Artworks. Öktem Aykut etwa dürfte vielen von der Liste Basel oder der Art Cologne bekannt sein. Die CI ist für ihn Heimspiel und Muss zugleich, da er hier viele Sammler treffe, die nicht zu Kunstmessen ins Ausland reisten, erklärt er.

Jedes zweite Jahr profitiert die Messe jeoch von der Internationalität, die wie heuer wieder die Istanbul Biennale in die Stadt bringt. Beide Veranstaltungen haben ihren Anteil am Entstehen eines Bewusstseins für zeitgenössische Kunst, auf Institutions- wie auf Sammlerseite.

Zu den wichtigsten Protagonisten aus der Frühzeit der hiesigen Szene gehört Gülsün Karamustafa, die seit den 70er-Jahren in einer Vermischung von High und Low gesellschaftlich brisante Themen wie Feminismus, Einwanderung oder Geschlechteridentität verhandelt. Gezeigt werden ihre Arbeiten von BüroSarigedik, die vor fünf Jahren von der ehemaligen Rampa-Direktorin Esra Sarigedik Oktem gegründet wurde, nachdem letztere als Architekturbüro nach Zürich gezogen war.

Armenische und türkische Künstler zeigt der armenische Sammler Onno Ayvaz, der 2012 die Galeri 77 in Istanbul eröffnet hat. Das im Ausland als gelinde gesagt angespannt wahrgenommene Verhältnis zwischen Türken und Armeniern spiele sich weitgehend auf politischer Ebene ab und sei in der täglichen Praxis kein Problem, heißt es am Stand.
 
Gesellschaftlich engagierte Kunst kommt sogar aus dem Iran. Die Bavan Gallery aus Teheran hat einen Schwerpunkt auf Kunst von Frauen, die sich mit weiblichen Themen beschäftigen. Ava Ayubi, die ihre Galerie 2018 gegründet hat, erzählt, dass es zwar durchaus zu Auseinandersetzungen mit den Behörden komme, aber sie weitgehend frei arbeiten können. Im Iran gebe es eine durchaus starke Sammlerschaft, die sich für ihre Kunst interessiere. Allerdings müsste sie an vielen Messen im Ausland teilnehmen, weil es kaum jemanden gebe, der in den Iran reist. Istanbul liegt da für viele näher.

Artfactorys Hauptgeschäft ist die Lagerung von Kunst, der Ausstellungsraum ist das Spielbein. Statt einer drögen Hussentischwüste tritt die Firma auf der Messe mit einer Präsentation von Dinçer Işgel und Bedia Ekiz auf, die sich in ihrem Werk auf unterschiedliche Weise mit nomadischen Völkern in der heutigen Türkei auseinandersetzen. Damit käme sie viel besser mit Besuchern und Bestandskunden ins Gespräch, meint Inhaberin Dila Kabakci.

Einiges aus dem Westen ist dann doch zu sehen, etwa bei Dirimart (z.B. Sarah Morris) aus Istanbul oder bei der Galerie Dix 9 (z.B. Sebastian Riemer). Deswegen muss allerdings niemand aus dem Ausland anreisen. Das Duo CI/Biennale lohnt sich jedoch allemal.
 
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Contemporary Istanbul 2022
17 - 22.09.2022

Contemporary Istanbul
Istanbul, Kasimpasa, Halic Camii Kebir Mahallesi Taskizak, Tersane Cd. No:5
Tel: +90 212 244 7171 (117), Fax: +90 212 244 7181
Email: info@contemporaryistanbul.com
https://contemporaryistanbul.com/


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