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Art-o-Rama: Frisches in La Friche

Es ist Rentrée - Ferienende - in Frankreich und damit Zeit für Art-o-Rama, die unkonventionelle Messe in Marseille. Die zweitgrößte Stadt Frankreichs lockt mit zuverlässig sommerlichen Temperaturen, Rosé und einer lebendigen und diversen Kunstszene, die gar nicht erst versucht, mit Paris zu konkurrieren und dabei ist, sich gerade dadurch zu einem Gegenmodell des durchkommerzialisierten Betriebs dort zu entwickeln.

Schon der Veranstaltungsort der Non Profit-Messe ist ungewöhnlich, eine ehemalige Zigarettenfabrik im sozialen Brennpunkt Belle de Mai. Heute ist La Friche ein Kulturzentrum, unter anderem mit Ateliers, Residenzen und Ausstellungsräumen. Diese Verbindung mit der aktuellen Produktion und dem diversen Umfeld prägt das Selbstverständnis der gar nicht mehr so kleinen Messe. Bis letztes Jahr lief sie nach Beendigung der Verkaufsverantaltung noch zwei Wochen weiter als Ausstellung. Dieses Konzept wurde zumindest dieses Jahr fallengelassen, durchaus zur Freude vieler Galeristen.

Und sie ist weiter gewachsen. 77 Aussteller auf zwei Ebenen teilen sich etwa zwei Drittel zu ein Drittel in traditionelle Kunstmesse mit zumeist Solo- oder Duo-Präsentationen und einen eigene Halle für Editionen und Design. Die Ausstellerliste liest sich wie ein Verzeichnis europäischer Cutting Edge-Galerien.

Joseph Tang kann hier schon als etabliert gelten. Seine Galerie geht ins zweite Jahrzehnt, er selbst ist Ende 40. Für ihn es die erste Messe seit Beginn der Pandemie. In der Zwischenzeit ist er mit seiner Galerie in Paris umgezogen und sieht nicht nur sich selbst in einer Umbruchsituation. Diese Grundhaltung findet ihren Ausdruck in der Standgestaltung.

Sophie Bueno-Boutellier arbeitete früher vornehmlich als Bildhauerin und Malerin. Ihren aktuellen großformatigen Leinwänden (12.000 Euro) sieht man den Ursprung in der Performance an. Gitte Schäfer heißt heute Athena Vida. Früher lebte sie in Berlin, heute in den Schweizer Bergen. Aus den Skulpturen sind Installationen geworden (8.000 Euro). Nicolas Ackerman hingegen verweigert sich in seinem Werk den äußeren Umständen und Widrigkeiten des Lebens, indem er jeden Tag zwei Bilder malt oder zeichnet, wobei sich sein Werk gleichwohl ständig weiterentwickelt. In Marseille sind kleinformatige Papierarbeiten zu sehen, auf deren Rückseiten mit einem harten Stift geometrische Muster gezeichnet sind, die den Farbauftrag mit einer Sprühpistole auf der Vorderseite beeinflussen (2.000 Euro).

Das eigenwillige kuratorische Prinzip Tangs nimmt die Standarchitektur auf, die schräg zum Gitterraster der Halle steht und an das ursprüngliche Konzept der - damals allerdings viel kleineren - Messe anknüpft, als die Aussteller ihre Architektur frei wählen konnten.

Bei fast 50 Positionen ist so eine freie Verteilung im Raum nicht mehr möglich, und so wirkt Art-o-Rama recht erwachsen. Spielerischer präsentiert sich die Halle Édition art & design mit ihren gut zwei Dutzend fast ausschließlich frankophonen Teilnehmern, die ein breites Spektrum präsentieren. Nicht immer sind die angebotenen Objekte eindeutig einem der Bereiche Kunst und design zuzuordnen. Die Brüsseler Galerie Fracas etwa hat neun Künstler gebeten, sich mit dem Thema Pflanzentopf zu beschäftigen. Die in Form und Funktion sehr unterschiedlichen Ergebnisse - sämtlich Unikate - kosten zwischen 300 und rund 4.000 Euro.

Das Gesamtpaket aus mediterranem Flair, urlaubenden Sammlern und attraktiven Konditionen macht Art-o-Rama auch für österreichische Galerien interessant. In diesem Jahr sind Hubert Winter, Shore, Sophie Tappeiner, Wonnerth Dejaco, Zeller van Almsick sowie and the editions dabei. Und das ganz ohne die staatliche Messeförderung, mit der die überproportionale Präsenz österreichischer Galerien auf internationalem Parket ansonsten zu erklären ist. Vielleicht ist es so: Marseille ist anders.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art-o-Rama
25 - 28.08.2022

Friche la Belle de Mai
13004 Marseille, La Tour 3rd floor, La Cartonnerie, 1es Plateaux
https://art-o-rama.fr
Öffnungszeiten: 14-20 h


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