Basquiat - Of Symbols and Signs: In Stürmen von Angst und Revolte
Basquiat, der erste schwarze Starkünstler in der westlichen Kunstwelt, dessen gelungene, ein paar seiner Meisterwerke präsentierende, kompakte Retrospektive - Jean-Michel Basquiat „Of Symbols and Signs“ - in der Albertina zu sehen ist, wünschte sich ausdrücklich nicht mit schwarzen Künstlern allein verglichen zu werden, sondern mit allen Kunstschaffenden auf Augenhöhe zu sein. Black and White All Over- ungefähr so wie der Titel des Katalogbeitrages von Francesco Pellizzi lautet. Der bereits mit 27 Jahren Verstorbene wurde 1960 in New York geboren, er war nie in Afrika, aber wie er zu sagen pflegte, er verfüge über genügend kulturelles Gedächtnis (über seine afrikanischen und karibischen Vorfahren), um seine Eigenständigkeit zu bewahren und das „Mehr“ noch zu schaffen. Mit dieser Aussage nahm der Außenseiter und Graffitimaler approximativ die Grundlagen vieler Kunstschaffender der globalisierten Welt von heute vorweg.
Im Verlauf seiner nicht einmal 10 Jahre dauernden, auf „Sturm und Drang“ angelegten Karriere schenkte er der New Yorker Kunstszene das, was ihr zu dem Zeitpunkt gerade fehlte: Einen expressiven, performativen Duktus und ein gesampeltes Formenvokabular aus Zeichen, Symbolen, Worten und Linien von neuartiger Dichte und Ausdruck – „eine Art-brut-Rhetorik des gelehrten Hip-Hops“ in Verbindung mit einer gerechten Dosis Kritik an Rassismus, sozialer Ungerechtigkeit alias Gleichgültigkeit und kapitalistischem Konsum. Seine Kritik ist jedoch nie geradlinig gewesen, bleibt reich an Bezügen, Steigerung, Ironie und musikalischer Rhythmik, sodass Kritiker und die Ausstellungskurator:innen Dieter Buchhart und Antonia Hoerschelmann seine Gemälde mit höchst komplexen Lautgedichten vergleichen, die an Schwitters Ursonate denken lassen oder zeitlich näher an die einmaligen Partitur-Notationen von Krzysztof Penderecki, die das Modell der Improvisation neuartig visualisieren.
In seinem bekannten, am Eingang der Ausstellung hängendem Bild Irony of a Negro Policeman (1981), dessen Sprengkraft den Zeiten des Black Lives Matter in nichts nachsteht und welches das von dem Künstler wiederkehrend reflektierte Thema der (Polizei)Gewalt darstellt, gehört zu einer Serie von Bildern, die, wie Warrior, Prophet oder andere, frontal stehende, ganze Figuren oder nur Gesichtsmasken und Schädel mit übergroßen Augenhöhlen und raubtierartigen Zähnen und mit kräftiger Linie umrissener Körperanatomie mitten im Bildzentrum zeigen. Sie rufen beim Hinschauen Angstgefühle oder Empfindung von Bedrohung hervor – man könnte behaupten, dass nichts sich in unserer spätkapitalistischen postpandemischen Gesellschaft besser verkauft und anfühlt als die Verbreitung der Angst. Und man kann es auf verschiedene Art und Weise tun. Das New York der 1980er Jahre war voll von toxischen Angstgefühlen, „verwahrlost und gefährlich“. Mit der apotropäischen Abwehrfunktion seiner Figuren, die das Böse abwenden können, in dem Augenblick, in dem sie das Boshafte verdeutlichen, scheint sich Basquiat in vielen seiner Bildern zu beschäftigen wie z.B. in Spermatozoon oder dem geister-totemhaften Tuxedo (Smoking, 1983). Die im letzten Abschnitt der Ausstellung gezeigten Beispiele schwarzer, minimalistischer Siebdruckarbeiten, deren Oberfläche mit zahlreichen weißen Schriftzügen und Zeichen fast vollständig bedeckt ist, wirken wie eine geheime, parawissenschaftliche Zauberformel: Cairo, Robespierre, Gorilla Telepathy, Pistole und darunter andere revoltierende Subjekte & Objekte kommen hier wie auf einer Speicherplatte oder als eine Partiturnotation auf einen Nenner als Signal eines neuen Künstlertums, dessen Laufbahn und Aufstieg bis heute große Faszination auf uns ausübt.
09.09.2022 - 08.01.2023
Albertina
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