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Andreas Karl Schulze A Ä Ö U . A .: Lautzeichnerei

„AÄÖU.A.“ lautet der Titel der aktuellen Ausstellung von Andreas Karl Schulze im Kunstverein Arnsberg. Und nun bitte noch einmal laut vorlesen. Schulzes Titel haben schon manche Redner*innen in Verlegenheit gebracht. Der Dichter Ernst Jandl hätte sicher seine helle Freude daran. Auch er hatte eine Vorliebe für Verdichtungen, Sprünge und Kurzschlüsse, die aufhorchen lassen. Einen Flyer zur Hand zu haben und direkt auf die Schrift zu verweisen, ist oftmals die einfachste Lösung, um nicht ins Stottern zu geraten und den Übergang vom Text zum Bild mit Leichtigkeit zu nehmen. Im Kunstverein Arnsberg, der mehrfach vom Arbeitskreis Deutscher Kunstvereine (ADKV) als Kunstverein des Jahres vorgeschlagen und auch 2016 ausgezeichnet wurde, sind 777 Zeichnungen aus den letzten zehn Jahren zu sehen. Seit geraumer Zeit schon füllt der Künstler in seiner alltäglichen Routine die Kästchen von handelsüblichem Karopapier. Gelenkter Zufall, wie er selbst erklärt. Die konstruktive Strenge, die etwa Richard Paul Lohse in den Satztechniken der Zwölftonmusik suchte, ist bei Schulze durch einen frechen Sprachwitz und das freie Spiel mit Formen aufgebrochen. Mal erinnern die kleinen farbigen Partikel an atomare Strukturen, DNA oder Schwärme, deren Ordnungsprinzipien erst noch entdeckt werden wollen. Anderswo springt das Zeichenhafte eines Piktogramms ins Auge. Oder eine lesbare Botschaft teilt sich so direkt mit, dass ein „fifi“ oder ein „sale“ zum Schmunzeln anregt. Wer sich fragt, ob es in Ordnung ist, in der Ausstellung auch mal zu lachen, findet ein „OK“.

An den Wänden entfaltet sich eine überbordende zeichnerische Morphologie, die das Zeichenuniversum zwischen alltäglicher Banalität und präziser Setzung durchquert. Schulze, der auch in seinen sonstigen Arbeiten im Ausstellungsraum und dem Öffentlichen Raum das kleinformatige (5x5 cm große), monochrome Quadrat immer wieder mit feiner Sensibilität einsetzt, um fast seismografisch Raumqualitäten sichtbar zu machen, gelingt dies auch im standardisierten Format des Schulblocks. Die präzise Pragmatik, mit der er die Potenziale peripherer Phänomene aufspürt, zeigt sich auch auf Papier.

Durch die raumfüllende Petersburger Hängung wird die Differenz zu den Wänden des Ausstellungsraums fast unsichtbar. So betont flächig die einzelnen Blätter auch sein mögen, sind sie doch auch raumgreifend, raumbildenden und -eröffnend. Die institutionskritische, oder besser institutionssensible, Qualität, die Schulzes Arbeiten in eine gewisse Nähe zu den reduzierten Strategien von BMPT (Daniel Buren, Olivier Mosset, Michel Parmetier, Niele Toroni) bringt, springt als kritischer Funke auch aufs Papier über. Mit diesen kleinstmöglichen Eingriffen besetzt er den Ausstellungsraum nicht, sondern skaliert ihn komplett neu. Lapidar formuliert, erscheint dieser selbst wie ein Blatt Papier. Es braucht nicht viel, um ihn zu bespielen. Es reicht ein Stück Papier. Und zugleich wird klar, dass Kunst nicht auf die Institution angewiesen ist. Schulzes Kunst bewahrt sich eine fröhliche Unabhängigkeit, die mit ihrem nomadisch-leichten Gepäck überall ausgezeichnet zurechtkommt, ohne sich vollständig zu assimilieren. Denn zeichnen lässt sich überall. Als eine Politik der kleinen Form, lässt sie sich nicht einfangen oder festschreiben.

Mehr Texte von Thorsten Schneider

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Andreas Karl Schulze A Ä Ö U . A .
06.05 - 26.06.2022

Kunstverein Arnsberg
59821 Arnsberg, Königstrasse 24
Tel: +49 29 31 2 11 22
Email: kontakt@kunstverein-arnsberg.de
http://www.kunstverein-arnsberg.de
Öffnungszeiten: Mi-Fr 17:30-19, So 11-15 h


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