Hier und Jetzt - Wien Skulptur 2022: Die unerträgliche Leichtigkeit des Steins
Ein zarte Linie zieht sich durch den Raum, knickt um die Ecke, verkäuelt sich mit anderen und läuft schließlich wieder aus. Aus vielen solcher Linien gezeichnet schwebt die Frontansicht eines VW Polo in einer ehemaligen Autowerkstatt im dritten Wiener Gemeindebezirk, die früher zu einem fast vollständig verglasten Autohaus gehörte. Der Neue Kunstverein Wien hat diesen außergewöhnlichen Ausstellungsraum als Zwischennutzung angemietet und die Linie, oder besser der dünne Draht gehört zu einer Skulptur des in Wien lebenden Fritz Panzer, der alltägliche Dinge mit Draht in Originalgröße im Raum nachzeichnet. Gleich daneben sind sechs Objekte aus Sonja Leimers Serie „Schwarzes Loch“ zu sehen. Auf filigranen Armierungseisen schweben Vasen aus den 1960er und 1970er Jahren, deren Glasur durch Hitzeeinwirkung aufgebrochen wurde. Die wie Satelliten in der Ausstellung schwebenden „Space-Age-Vasen“ erinnern an die Zeit des Wirtschaftswunders, als man noch meinte, mit Technologie alle Probleme der Menschheit lösen zu können.
Die Ausstellung „Hier und Jetzt“, kuratiert von Kasia Matt-Uszynska und Herwig Kempinger, will nichts weniger als eine aktuelle Standortbestimmung der Skulpturenszene in Wien abbilden. Ein Unterfangen, das man eher in einer öffentlichen Institution verorten würde, als in einem relativ kleinen Kunstverein. So ist es auch nur ein erster Ausschnitt aus der vielfältigen künstlerischen Produktion in der Stadt, die über eine lange Geschichte und besonders im öffentlichen Raum eine lebendige Gegenwart an unterschiedlichen künstlerischen Positionen verfügt.
Das Auffallende an der ersten Ausgabe der geplanten Serie ist eine Leichtigkeit, mit der die Kunstwerke daherkommen. Keinen behauenen Stein, keine schwergewichtige Bronze findet sich in der Wien Skulptur 2022. Dafür feingliedrige Strukturen von Sasha Auerbakh, Rudolf Polanszkys „Fragmentic Objects“ und selbst Kerstin von Gabains „Stove“ reckt sein Abgasrohr grazil die Wand hoch. Hans Schabus‘ Objekt aus der Serie „Klub Europa“ – ein Mammutfuß aus einem ehemaligen DDR-Vergnügungspark – hat nichts von der Schwere seines ausgestorbenen Vorbilds. Mit dem Entstehungsjahr 2010 ist die Arbeit die früheste der Ausstellung. Der Großteil der Werke entstand in den vergangenen drei, vier Jahren und zeigt, dass Wien über eine vielfältige Szene auch in der zeitgenössischen Skulptur verfügt. Auf die weiteren geplanten Ausstellungen kann man daher gespannt sein.
09.06 - 29.10.2022
Neuer Kunstverein Wien
1030 Wien, Rennweg 110-116
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