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art genève: Durch nichts zu ersetzen

Anfang März ist Genf schon viel freundlicher als Ende Januar. Die Corona-bedingte Verschiebung hat der artgenève eher geholfen. Das war allerdings wohl auch nur möglich, weil die Tefaf von Mitte März im Kalender ebenfalls weiter nach hinten in den Juni gerückt ist. Denn die Schweizer teilen sich mit den Maastrichtern einige ihrer hochkarätigsten Aussteller.

Das Publikum der artgenève rekrutiert sich hauptsächlich aus der Region, also der Westschweiz, Ostfrankreich und Norditalien - Mailand liegt etwa zweieinhalb Autostunden entfernt. Hinzu kommen einige der üblichen vielreisenden europäischen Sammler und Chaletbewohner aus der näheren Alpenumgebung.

Die Besucherzusammensetzung stimmt also. Das Spektrum des Angebots ist für eine relativ kleine Regionalmesse erstaunlich breit gefächert. Die Groß- und Mega-Galerien haben den Marktplatz für sich entdeckt und sondieren nacheinander das Terrain. Hauser & Wirth und David Zwirner waren schon hier, in diesem Jahr haben Van de Weghe (New York) und Thaddaeus Ropac (Paris) Premiere. Gagosian - mit eigener Filiale vor Ort - fährt in diesem Jahr ein reduziertes Messeprogramm, habe seine Rückkehr im nächsten Jahr jedoch bereits bestätigt, so Messedirektor Thomas Hug. Christophe van de Weghe ist aus New York mit einem hochkarätigen Mix angereist: Frank Stella, Alexander Calder, Andy Warhol empfangen den Standbesucher, weiter hinten hängt noch ein Picasso. Eigentlich habe er hier gerade nichts unter einer Million, meint er nach kurzem Überlegen. Zwei Werke seien bereits verkauft erklärt er - da ist die Vernissage gerade einmal zwei Stunden alt.

Die Pace Gallery unterhält seit vier Jahren eine Niederlassung in der Stadt und nimmt seitdem an der Messe teil. In einer außergewöhnlich großzügigen Geste spendet sie alle Einnahmen der Messeverkäufe dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR für dessen Ukraine-Hilfe. Der Stand ist eine Soloshow des 85-jährigen Lucas Samaras, der sich über seine gesamte Karriere hinweg mit Technologie auseinandersetzt und seit 1965 von der Galerie vertreten wird. Pace scheint damit übrigens die einzige Galerie auf der Messe zu sein, die NFTs anbietet (zu je 20.000 USD).

Es geht in Genf allerdings auch mehrere Nummern kleiner. Schon für um 1.000 Euro sind bei mehreren Galerien attraktive Werke zu haben. Kleinformatige Lackgemälde von Thilo Jenssen kosten bei Christine König aus Wien – der einzigen österreichischen Galerie übrigens - 1.500 Euro, Gouachen der in den USA ausgebildeten Vietnamesin Mai Ta sind bei Pablo's Birthday sogar schon für 1.100 Franken zu haben.

Es ist diese Mischung von shoppenden Millionären bis zum sammelnden Mittelstand, der Genf nicht zuletzt für Berliner Galerien interessant macht.

"Ich finde die Pandemie hat tatsächlich gezeigt, dass das Messeformat nicht durch irgendetwas anderes zu ersetzen ist", erzählt Silvia Bonsiepe von der Berliner Galerie Klemm's. Und Genf habe sie schon lange gereizt. So habe es sich ergeben, dass die Galerie jetzt gleich an vier Messen hintereinander teilnimmt, von Los Angeles über Madrid, Genf bis Mailand. In der Schweiz zeigt sie unter anderem surreal angehauchte Stillleben-Fotografien aus dem Nachlass von Jan Groover, von denen einige an Sammler aus der Schweiz zu je 12.000 Euro abgegeben wurden.

Gonzalo Alarcón, Direktor bei Erstteilnehmer Thomas Schulte aus Berlin, sagt: "Tatsächlich wollten wir mal eine andere Messe ausprobieren. Wir schauen auch immer, wie das Umfeld der Messe ist, welche Kollegen teilnehmen. Und wir haben bereits einige Kunden in der Schweiz." Gleich zu Beginn wurde schon einer der unikaten Siebdrucke von Jonas Weichsel für 17.000 Euro an einen neuen einheimischen Kunden verkauft. Auf dem Stand sind zehn Positionen der Galerie am Stand vertreten. Erstaunlicherweise fällt diese Vielzahl nicht auf; das unterscheidet vielleicht Programmgalerien mit kuratorischen Fähigkeiten von solchen, die sich um des vermeintlich schnellen Verkaufens willen die Koje recht willkürlich befüllen. Von denen gibt es wie auf jeder Messe allerdings auch einige.

Unter den 88 Galerien mit einem regulären Stand fallen sie jedoch nicht besonders ins Gewicht. Zumal die Messe noch mehr zu bieten hat. Die beiden kuratierten Verkaufsausstellungen "sculpture" und "photography" bieten sowohl Ausstellern, als auch Kollegen, die nicht mit einem eigenen Stand teilnehmen, eine weitere Präsentationsmöglichkeit. Zudem sind 44 Institutionen von Museen, über Privatsammlungen bis zu Off Spaces, zumeist aus der Region, vertreten.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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art genève
03 - 06.03.2022

Palexpo
1218 Le Grand-Saconnex, Route François-Peyrot 30
http://www.artgeneve.ch


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