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Miguel Ángel Tornero - Yucca: Flower Power revisited

Der Einstieg in die aktuelle Ausstellung im New Jörg im 20. Wiener Gemeindebezirk stimmt optimistisch: man wird von einer mannshohen Pflanze im weißen Topf empfangen, die seitlich schlangenartig hinaufwächst und sich anschließend mit einem etwas devastierten Reflektor, der innen leer ist, akrobatisch vereinigt. Stellt die Arbeit „Yucca“ einen Reifen für einen Löwen dar? Da die Pflanze in etwa wie eine Palme aussieht, entsteht das Gefühl in einen exotischen Ziergarten oder mitten nach Kalifornien in ein fantastisches Filmstudio verschleppt worden zu sein. Für diese spielerischen Fiktionen sind ursächlich die in zwei Räumlichkeiten in diversen Funktionen häufig auftretenden Faltreflektoren verantwortlich, die durch ihre reflektierenden goldenen Oberflächen optische Reize initiieren und steigern, gleichzeitig das Kunstmachen selbst thematisierend.

Das Grünzeug, von dem hier die Rede ist heißt Yucca-Palme und stellt ganz banales, lebendiges Wohnungs- bzw. Büro- oder Amtsstubendekor dar, an dem man im Alltag unaufmerksam vorübergeht, vermutlich ohne es eines eingehenden Blickes zu würdigen. Mit seiner Ausstellung „Yucca“ erhebt der aus Madrid eingereiste Miquel Ángel Tornero soeben den gefundenen „floralen Mikrokosmos“ der Galerie auf die Blickebene der Betrachterinnen und wandelt – könnte man behaupten – den Status des Kunstortes für die Dauer seiner Ausstellung in einen ästhetisch orientierten Garten. Yucca - new layer from new jörg – lautet im Pressetext das Credo dieses einmaligen Events und weil wir in Wien sind denkt man gleich an den Altmeister Dürer und daran, wie er die „kleine Natur“ bzw. die unscheinbare Welt in seinen detailreichen Zeichnungen vor Jahrhunderten zum Kunstwerk erhöht hat.

Ähnlich wie ein Ziergarten, der sich üblicherweise eines reichen Spektrums nicht pflanzlicher Elemente wie Wasserkaskaden, Statuen oder Steinen bedient, verwendet Tornero in seinen Arbeiten, die er Collagen nennt, das gedruckte Foto einer gleichartigen Yucca-Palme, welches er bereits in seinem Oeuvre (The Random Serie, 2013) benutzte und das er mit den eben erwähnten Reflektoren verschiedener Größe zu diversen formal-semantischen Konfigurationen immer wieder aufs Neue zusammensetzt. Für die krisenhafte Zeit wie heute scheint die Yucca eine enorme und beispielhafte Resistenz aufzuweisen. An ihren unregelmäßigen Formen kann man erkennen und auch bewundern, wie sie sich den vorgefundenen Umständen vital anpasst und trotz aller widrigen Umstände weiter in ihrem Wachstum expandiert.

Auch hängen Torneros Collagen nicht statisch an den Wänden, sondern sie lehnen sich wie provisorisch lediglich an sie an. Sie zeichnen sich durch eine humorvolle Performativität und Variabilität aus, die einen Freiraum für Träumer und Suchende bieten. In Erinnerung bleibt dabei insbesondere die Arbeit, die aus runden zusammengestellten Faltreflektoren und einer nur ausschnitthaft im Druckverfahren naturgetreu erfassten Palme am Rande besteht. Die sommersonnig strahlende Collage soll laut dem Spanier eine Hommage an die Wiener Secession sein. Diese zelebriert in ihrer architektonischen Konzeption, die an die ägyptische Antike anknüpft und mit einer vergoldeten Lorbeerkuppel gekrönt ist den Garten als globales Phänomen. Das ist aber nicht alles: Torneros lichtdurchflutetem, heiterem Transfer mit lebender Pflanze stehen diskret noch zwei kleine, zerbrechlich wirkende, ganz in Schwarz gehaltene „Bilder“ gegenüber. Sie sehen wie geschnittene und beschädigte Fotos aus, die eine Katastrophe oder Verletzungen halbwegs gut überstanden haben. Ganz unbeschädigt zwischen diesem bühnenhaften Hin und Her, Kreation und Zerstörung sind einige filigrane rote Rosen im kurzlebigen Augenblick des Blühens zu erblicken als ob sie lebendige Zwischentöne seien.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Miguel Ángel Tornero - Yucca
11.03 - 01.04.2022

New Jörg
1200 Wien, Jägerstraße 56
Email: info@newjoerg.at
http://www.newjoerg.at
Öffnungszeiten: nach Vereinbarung


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