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ARCO 2022: Wieder Action in Madrid

Die Arco in Madrid verweigert sich nicht etwa der Midlife Crises, indem sie aufhört zu zählen. Die 40+1 betitelte Ausgabe holt einfach nach, was ihr im letzten Jahr mit ihrer wenig feierlichen Rumpfausgabe verwehrt war. Zum nachgeholten Jubiläum sind auch die auswärtigen Galerien wieder dabei und bringen die Ausstellerzahl auf eine normale Größe von 185. 26 von ihnen stammen aus Deutschland, wiederum rund zwei Drittel davon aus Berlin. Die österreichische Präsenz ist sparsamer als man es sonst auf internationalen Messen gewohnt ist.

Nur mit der Brückenfunktion nach Lateinamerika hapert es noch ein wenig. Mit der Art Basel Miami Beach und der Zona Maco in Mexiko-Stadt ist der Arco über die Jahre starke Konkurrenz in Amerika erwachsen, die den Sammlerstrom von der anderen Seite des Atlantiks in den letzten Jahren nicht mehr ganz so stark erscheinen ließ. Die Pandemie hat ihn fast zum Erliegen gebracht. Allerdings haben viele Einwohner der ehemaligen Kolonien mittlerweile zumindest einen Zweitwohnsitz im ehemaligen Mutterland. Sie sind der Messe treu, und auch die europäischen Sammler sind heuer wieder da, während die Spanier letztes Jahr weitgehend unter sich bleiben mussten.

Sehr gut kommen bei der Wiener Galerie Nächst St. Stephan die textilen Arbeiten von Sheila Hicks an, der letzten noch lebenden Studentin von Josef Albers. Zwei Werke konnten bereits an europäische Privatsammler zu 42.000 und 120.000 Euro netto verkauft werden. Auch vom restlichen Programm von Jessica Stockholder bis Isa Melzheimer muss die Galerie nicht alles wieder mit nach Hause nehmen. Immer noch stark sei die Präsenz lateinamerikanischer Sammler, so die Galerie, allerdings wohl vornehmlich jener, die mindestens einen Zweitwohnsitz in Spanien haben. Um die Spanier selbst müsse man sich keine Sorgen machen, die seien treu und kämen immer. Im Gegensatz zum letzten Jahr seien allerdings auch wieder viele Europäer angereist.

"Es ist so toll, dass jetzt wieder ein bisschen Action ist", freut sich Thomas Krinzinger aus Wien. Im letzten Jahr sei es schon sehr zäh gewesen, mit fast ausschließlich spanischem Publikum. "Jetzt fühlt es sich wieder mehr nach der Arco an, die man von früher kennt." Die Lateinamerikaner, die er sonst immer in Miami trifft, habe er nicht wahrgenommen, sehr wohl allerdings die madrilenischen Besucher. "Das Wichtigste ist, dass die Energie wieder da ist und man das Gefühl hat, es geht wieder was." Besonders betont er den positiven Effekt der 40+1-Sonderausstellung, zu der die Galerie zwei Skulpturen von Eva Schlegel und Monica Bonvicini beisteuert.

"Ich liebe diese Messe!", leitet Barbara Thumm aus Berlin das Gespräch ein. Sie habe viele lateinamerikanische Künstler und entsprechend Sammler aus der spanischsprachigen Welt. Manchmal seien viel Amerikaner da, manchmal weniger, aber die Verbindung sei stabil. "Es waren vielleicht nicht so viele wie sonst, aber sehr, sehr gute." Außerdem habe sie ein intensives Verhältnis zu den hiesigen Institutionen. Die Messe habe durch ihre lange Tradition ein ganz anderes Standing als Miami, Mexiko oder Sao Paolo. Zum ersten Mal zeigt sie hier Skulpturen (je 36.000 Euro brutto) des 67-jährigen Senegalesen El Hadji Sy, der schon auf der letzten documenta zu sehen war und zum Gallery Weekend seine erste Einzelausstellung in der Galerie haben wird. Eine weitere Solo-Präsentation ist für die Art Basel eingeplant. Die Arco sei in dieser Dramaturgie ein idealer Startpunkt wegen der vielen Kuratoren, die damit für den Künstler sensibilisiert werden können.

Auch Javier Peres aus Berlin ist glücklich. Eine kleine Soloshow mit Gemälden von Manuel Solano (30.000 bis 60.000 US-Dollar netto) sei mehr als ausverkauft. Und von jeder Position am Stand habe zumindest eine Arbeit neue Besitzer. Gekauft hätten Amerikaner, Europäer und Asiaten, ja auch die. "Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, auf Messen zu kaufen, ohne selbst persönlich dort zu sein."

Der Aufreger in diesem Jahr ist übrigens eine zugenähte Vagina. Die peruanische Künstlerin Wynnie Mynerva sieht diesen Akt der chirurgischen Selbstverstümmelung als einen der Befreiung. Am Stand der Ginsberg Gallery aus Lima ist ein entsprechendes Monumentalgemälde (16.200 Euro netto) und ein Making of-Video (Auflage 3, 4.500 Euro netto) zu sehen. Natürlich war das Werk Gesprächsthema der Vernissagebesucher. Diese kalkulierten Skandälchen scheinen irgendwie dazuzugehören und sind fast schon Folklore. Die Arco kommt auch ohne aus.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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ARCO 2022
23 - 27.02.2022

ARCO
28042 Madrid, Parque de Juan Carlos 1
http://www.arco.ifema.es


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