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Jakob Gasteiger - Bilder 1985-1990: Der Meister des Pigments

Es ist eine Retrospektive der frühen Arbeiten Jakob Gasteigers, nämlich jener Werke, die zwischen 1985 und 1990 entstanden sind, die die bechter kastowsky galerie aktuell in ihren Wiener Räumlichkeiten zeigt. Zurück zum Ursprung, zu jener Zeit, als Gasteiger in seinen 30ern war! Wir befinden uns inmitten der 1980er Jahre, in einer florierenden, lebendigen Kunstszene, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich stark von der expressionistischen Kunst geprägt ist. Von Schiele, Kokoschka, Gerstl über Boeckl während der Zwischenkriegszeit hin zu den Neuen Wilden wie Scheibl, Brandl, Schmalix, Damisch - stets dominiert das Figurative, Expressionistische. Inmitten darin Jakob Gasteiger. Ein Minimalist? Oder gar ein Vertreter der radikalen oder post-radikalen Malerei, wie Klaus Albrecht Schröder ihn bezeichnet?

Diese Kunstrichtung, die sich stark an der amerikanischen Minimal Art orientiert (Donald Judd, Frank Stella, Carl Andre, Sol LeWitt), findet in Österreich wenig Anklang. Hat sie ihre europäischen Vorläufer noch im Konstruktivismus, der Konkreten Kunst oder Bauhaus Malerei, so etabliert sich in New York mit der Radical Painting Group (Joseph Marioni, Günter Umberg, Marcia Hafif) eine Stilrichtung, an der sich Gasteiger orientiert und die sich auf die Grundprinzipien der Malerei besinnt. Jeglicher Ausdruck des Gestischen, Figurativen und Gegenständlichen wird negiert, um sich auf die eigentlichen Gestaltungselemente des Bildes wie Form, Stärke, Größe, Struktur, Oberfläche und Pigment zu konzentrieren. Vor allem die Farbe rückt dabei in den Fokus. Es ist nicht mehr die Symbolik ausschlaggebend, sondern der Farbe an sich ist jegliche Bedeutung entzogen. Und so sind es vor allem die Nichtfarben Schwarz, Weiß und Grau, mit denen Jakob Gasteiger in den 1980ern experimentiert – nicht nur aus Kostengründen, denn sie waren viel günstiger, sondern vor allem wegen der nicht vorhandenen Konnotation.

Dabei verwendet er große Mengen an Pigment, die er mit einem Kammwerkzeug auf der Leinwand verstreicht. Die Kammspachtel ist sozusagen sein Pinsel, sein Malwerkzeug, mit der er wiederholt Farbe aufträgt, verstreicht, verschmiert und schließlich wie mit einem Rechen immer aufs Neue verteilt, bis er dem Bild damit jene Struktur gibt, die er in seiner Vorstellung hat. Gasteiger ist ein Analytiker, der „seine Kunst plant, wie ein Architekt sein Haus plant“*. Nicht das Prozesshafte, Meditative oder Performative, das seine Arbeitsweise womöglich impliziert, ist für Gasteiger von Bedeutung, sondern es ist eine Idee, eine Problemstellung, die er in seinen Werkserien verfolgt. Das könnte eine Fragestellung in der Farbeigenschaft, der Haptik, der Bewegungsrichtung, der Struktur, der Stärke oder auch des Gewichts des Bildes sein, die sich darauf auswirkt, wie wir das Bild als Betrachter wahrnehmen: Wirkt es dreidimensional, dünn, dick, schwer, schmal, dezent oder üppig?

Und genaue diese ersten Versuche mit der Farbe als Materialität zeigen die vier unverkäuflichen Hauptwerke, die im zweiten Raum der bechter kastowsky galerie zu sehen sind. In der Zeit zwischen 1985 und 1990 experimentiert Gasteiger noch mit Ölfarbe und stößt wahrhaftig auf die Grenzen des Materials, denn diese dicke Schicht braucht Jahre zum Trocknen. Die schweren, metallenen Rahmen lassen die Arbeiten nahezu massiv, aber dennoch dramatisch wirken. Sie hängen an der Wand, wie Altäre, so auratisch und mystisch ist ihre Ausstrahlung. Der Versuch, auf den Bildgrund hindurchzublicken, endet darin, dass man sich in der Sättigung des Pigments verliert. Man sucht nach einem Farbton und scheint mit jeder Lichteinstrahlung einen neuen zu entdecken. Man könnte sagen, man verliert sich in der Bildfläche, die trotz oder viel mehr auf Grund ihrer Gegenstandslosigkeit so reichhaltig ist. Und dann der unmittelbare Vergleich zu den ungerahmten Arbeiten im Eingangsbereich, die sich so stimmig und charmant in den Raum fügen: Das gesättigte Blau, das im Abendlicht wie ein Braun oder Erdfarbton wirkt, die charmanten Farbpatzer in der S-Kurve, die Unreinheiten an den Kanten, das Hervorblinzeln eines anderen Farbtons. Bewegt man sich um das Bild, so entdeckt man von den unterschiedlichen Standpunkten aus verschiedene Eigenschaften, die womöglich für jeden Betrachter konträr sind. Jeglichen subjektiven Ausdruck spart Gasteiger aus, er behält stets die Distanz bei, sodass seine Bilder auf den Betrachter wirken können, und das tun sie in der Tat!

* Jakob Gasteiger im Künstlergespräch mit Klaus Albrecht Schröder, Mai 2021.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Jakob Gasteiger - Bilder 1985-1990
14.01 - 05.03.2022

bechter kastowsky galerie
1010 Wien, Gluckgasse 3/Mezzanin
Tel: +43 1 512 16 09
Email: robert@bechterkastowsky.com
http://www.bechterkastowsky.com/
Öffnungszeiten: Do - Fr 10-19, Sa 10-15 h


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