Das Leben, es ist gut.: Träumt das Internet unsere Zukunft?
Neben Gaming und Musikindustrie ist vor allem das Kino von Cyborgs, KI und Mensch-Maschine-Schnittstellen besessen. Anders als die Popkultur tut sich die zeitgenössische Kunst mit dem Thema „Technologie“ eher schwer. Kunst „ist“, und wird von ihrem Publikum als solche erkannt, wenn sie danach aussieht. Entsprechend dominiert im aktuellen Ausstellungsbetrieb nach wie vor das Handgemachte: Kunstwerke, die umso lieber gemalt oder sonst wie gebastelt sein dürfen, weil Eigenhändigkeit „Originalität“ suggeriert und deshalb entsprechend nur „exklusiv“ sein kann. Die derzeit gehypte NFT-Kunst steht dazu gerade nicht im Widerspruch. Sie treibt den Zusammenhang vielmehr auf die Spitze, wenn massenkompatibel „originelle“ Bilder als künstlerische Legitimation für Blockchain-zertifizierte Einmaligkeitsansprüche herhalten und ubiquitär vorhandene Information für viel Geld privatisiert, der Ressourcenverschleiß dagegen vergesellschaftet wird. Will Kunst seit der Moderne ihre Herstellungs- und Funktionsprinzipien entlarven, geht’s hier ums Gegenteil. Hauptsache, es funktioniert!
Demgegenüber nimmt sich eine Ausstellung wie „Das Leben, es ist gut.“ in Look, Inhalt und Anliegen ganz schön verstörend - und im besten Sinn desillusionierend - aus. Gerade wer in einem Ausstellungsraum zurecht Kunst erwartet, ist erst einmal irritiert von dem technizistischen Set-up aus maschinenhaften, miteinander verkabelten Objekten, die an Medizin- oder Forschungslabore denken lassen – und die man entsprechend besser mal nicht anfassen möchte. Auf den zweiten Blick zeigt sich: diese Objekte – allesamt von Philipp Höning – sind ziemlich „rough“ aus industriellen Aluminiumprofilen und gefundenen Metall- und Elektrobauteilen zusammengeschraubte oder -geschweißte Medienstationen. Ausgestattet mit Boxen, Monitoren, Verkabelung, Richtmikrophonen, Kopfhörern usw., sind diese Objekte tatsächlich zu benutzen und dabei unentwegt auf Sendung. Zu hören sind teils sehr lange, zugleich in literarischem wie musikalischen Sinne komponierte Audiostücke des Künstlers. Und es lohnt sich durchaus, hinzuhören: Hönings Stücke basieren auf Field Recordings, verfremdenden Soundeffekten und sorgfältigen Scripts, die auf die umfassenden Recherchearbeit des Künstlers verweisen. Wiederkehrendes Thema: wie neue Technologien aber auch Architektur und Stadtplanung psychosomatisch und gesellschafts(miss)bildend wirksam werden – hier am Beispiel der Nürnberger Trabantenstadt Langwasser explizit gemacht.
Mit Hönings mitteilsamen Maschinen-Medien korrespondieren die Filmmontagen und Collage-Fanzines von Su Jin Bae und Jonathan Lemke, die das Entfremdende und Dystopische freilegen, das in der gegenwärtigen Bild- und Medienwelt längst enthalten ist. Gut, dass es eine Kunst gibt, die es schlicht nicht verschlafen will, dass – mit dem Filmemacher Werner Herzog – längst das Internet für uns zu träumen begonnen hat. Wie gut es sich wohl unser künftiges Leben erträumt?
11.12.2021 - 15.01.2022
Atelier- und Galeriehaus Defet
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