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Markus Redl - Flussmitte: Erzählungen aus einer künftigen Vergangenheit

Die Installation in der Galerie Kandlhofer eröffnet einen Blick in Redls Universum: großformatige eng beschriebene und bezeichnete Papierbahnen legen sich über Wand und Boden, vielteilige grafische Zyklen führen emblematische Dinge des Alltags vor, drei enigmatische Steinskulpturen stehen an den Kreuzungspunkten der Sichtachsen im Raum. Markus Redl ist Zeichner gleichermaßen wie Bildhauer; ihm ist der Gestus der Aneignung von Texten verschiedener Autoren durch Abschreiben und Auswählen ebenso vertraut wie der kreatürliche Zugriff auf die edelsten Materialien der Bildhauerei: strahlend weißer Marmor aus Carrara, Rosa Aurora aus Portugal, schwarzer Kalkstein aus Belgien. In seinen Themen umkreist er mittels Zeichen, Chiffren, Texten, Symbolen das Sein der Dinge und die Zusammenhänge von Bedeutung und Erscheinung, etwa in den Brecht-Zyklen: Redl greift die politische Verfasstheit des Individuums auf und konfrontiert den Einzelnen mit Fragen von gesellschaftlicher Relevanz, wofür er Brecht-Zitate wie Ausrufe ins Zeichengeflecht seiner Papierbahnen einarbeitet. Redls literarische Ausbeute ist seiner – nun in Pandemiezeiten intensivierten – Lektüre zu verdanken, sein Interesse gilt gleichermaßen soziologischen Autoren wie poetischen Erzählern, dystopischen Visionären wie existenziellen Weltschilderern. Daneben extrahiert er aus seinem Alltag Bilder von Objekten und Gegenständen, wie im Unterland-Zyklus, in dem alles „bleibt wie es wird“: eine Kaffeekanne verselbständigt sich, Zange oder Bürste werden zu eigenständigen Protagonisten in einem Theater der Einfachheit.

Markus Redl ist ein Künstler, der sein Selbstverständnis als Gestaltender nicht in der Wiedergabe figürlicher Realität sieht, sondern im Herstellen einer neuen, komplexen, ja kompliziert-verklausulierten Wirklichkeit. Er entwirft weltähnliche Szenarien, angefüllt mit ding-ähnlichen Objekten, die er mit allen Freiheiten der Grenzüberschreitung ausstattet. Ein (fiktives) chronologisches Kontinuum ersetzt Redl durch ein Vorwärts und Rückwärts in Zeitebenen; belebte und unbelebte Natur ist in seiner Stillleben-Welt eine „natura“, die zwischen „viva“ und „morta“ schwankt. In der gegenwärtigen Ausstellung sind diese Positionen deutlich abzulesen: Markus Redl ist vielleicht einer der aktuellsten der heutigen Künstler, ein Realitätsumdeuter in pandemischen Zeiten - der Tradition entronnen, das Künftige ahnend und immer changierend zwischen einem lesbar-gegenständlichen Formenrepertoire und einer enigmatisch-andeutungsreichen Bildsprache.

Mehr Texte von Margit Zuckriegl

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Markus Redl - Flussmitte
26.11.2021 - 05.02.2022

Galerie Lisa Kandlhofer
1040 Wien, Brucknerstraße 4
Tel: +43 1 5031167
Email: info@kandlhofer.com
http://www.kandlhofer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19, Sa 11-16 h


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