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Wolfgang Tillmans - Schall ist flüssig: Der unverforene Blick

Dem deutschen Fotografen, Musiker, Filmer Wolfgang Tillmans ist derzeit eine große Retrospektive im Mumok gewidmet. Die Arbeiten des hierzulande nur selten gezeigten Künstlers erfuhren seit den 2000er Jahren eine kontinuierliche Wertschätzung, die sich unter anderem schon in der Verleihung des Turner Preises 2000 ausdrückte. Tillmans, der auch in London lebt, war der erste nicht-britische Künstler und Fotograf der diese Auszeichnung erhielt. 2017 waren seine Arbeiten in der Tate Modern zu sehen. Für 2022 ist eine große Retrospektive im New Yorker MoMA geplant.

Was macht nun den Reiz seiner Werke aus? Auf Ebene 2 des Mumok lässt sich das an Hand einer Fülle von Fotografien ergründen. Da hängen gerahmte Naturbeobachtungen neben mit Tixo fixierten Porträts von Freund:innen und Bekannten. Die Arbeiten sind von Tillmans selbst in verschiedenen Höhen gehängt und ergeben eine Art Salon-Atmosphäre wie bei Ausstellungen des 19. Jahrhunderts.

Wir sehen Fotografien von Resten von Popcorn, Schuhe und Gewandteile am Boden liegend, nach Festen übrig geblieben. Es ist der schäbige Rest den Tillmans hier ins Zentrum rückt. Weiters zeigt er uns Baustellen, wo gerade Beton ins Fundament gegossen wird und der Betonstrahl in der Linse des Fotografen gefriert.

Tillmans erklärte seine manchmal fast banal anmutende Motivwahl und Darstellung als Folge seines „unprivilegierten Blicks“ auf die Welt. Verfremdungen und Prothesen erscheinen ihm weniger schockierend als die bloße Abbildung des Gesehenen. Wobei der Rezipient natürlich immer den vorgesehenen Blick des Fotografen durch die Linse nachvollzieht. Diese Art des L’art pour l’art, die Tillmans betreibt, wurzelt auch in seiner popkulturellen Identität als Musiker und DJ.

Man könnte Tillmans auch als einen Chronisten der Popmusik bezeichnen. Er schuf in Berlin 2014 einen Playback Room im „Kunstraum between Bridges“ und wiederholte dies im Lenbachhaus 2016 und ein Jahr später in der Tate Modern. Es sollte ein Raum sein, in dem man Musik, die im Studio aufgenommen wurde, in entsprechender Qualität hören konnte.

Diese popkulturelle Prägung mit ihren Soziotopen von Freundschaften beinhaltete auch die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Krankheit Aids, an die er 1997 seinen Lebenspartner verlor. In den 90er Jahren, als Tillmans jung war, entstand auch jenes ikonische Bild – „Alex und Lutz in den Bäumen sitzend“. Diese Aufnahme spiegelt sehr eindringlich das pop- und subkulturelle Lebensgefühl der Neunziger-Jahre wider. 

Im Untergeschoß des Mumok zeigt Tillmans sein cineastisches Schaffen sowie einen Dialoop von 450 Aufnahmen von Architekturen, die er auf fünf Kontinenten gemacht hatte. Das sogenannte „Book for Architects“ war 2014 auf der Architekturbiennale in Venedig zu sehen. Mit seinem Blick für und Interesse an Architektur sammelte Tillmans weltweit Ansichten ein, die nun geblockt im Mumok zu sehen sind.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Wolfgang Tillmans - Schall ist flüssig
27.11.2021 - 28.08.2022

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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