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Otobong Nkanga: Eine ästhetische Lektion für die Akteur:innen in Glasgow

Das Kunsthaus Bregenz zeigt eine große Gesamtinstallation der aus Nigeria stammenden, in Antwerpen lebenden Künstlerin Otobong Nkanga (Jahrgang 1974) zur drängenden Weltklimakrise. Die Apokalypse aus der Klimakatastrophe scheint unausweichlich. Energische Klimapolitik ist das Gebot der Stunde!

Eine große Tanne durchstößt das Kunsthaus vom Erdgeschoß über die zwei Stockwerke bis zur höchsten Etage. Während im Erdgeschoss noch Natur am Stamm aus Krumbach in Vorarlberg erkennbar ist, hat der Baum im obersten Stockwerk nur noch eine verkohlte Außenhaut. Während er im Erdgeschoss noch neben einem wassergefüllten Teich steht, gibt es im dritten Stock eine lehmbedeckte heiße Kraterlandschaft. Im ersten und zweiten Stock sind Kugeln aus Murano Glas mit Resten einer intakten Umwelt am Boden ausgestellt. Dazu schlängeln sich Stricke über den kahlen, grauen Betonboden des Kunsthauses am Bodensee. Die Glaskugeln zeigen exemplarisch kleine Ökosysteme wie eine Utopie, was noch möglich wäre, wenn die Weltklimakonferenz in Glasgow eine wirkliche Wende in der ökologischen Vernichtungspolitik der Menschheit bringt.  

 

Der Wandteppich, der alle Stockwerke durchzieht misst in jedem Stockwerk 3,5 Meter. Die farbig leuchtenden Tapisserien zeigen dystopische Elemente wie abgerissene Gliedmaßen, Verschmutzung, Plastikabfall, Netze, die gefangen nehmen und dunkle Abgründe, aber auch die Verbindung zwischen Land und Ozean. Es lassen sich Meerestiefen, Jahreszeiten und Klimazonen erkennen. Gleichzeitig wirken die Teppiche wie Fenster in eine bunte Welt voller Leben am Rand einer kargen Landschaft. Farbige Fische und Muscheln bevölkern Korallenriffe vor dem Ozeanblau einer unberührten Tiefsee. Im dritten Stockwerk wird der Teppich schließlich von apokalyptischen Rottönen bestimmt, die das Feuer und den brennenden Regenwald als Folge der Erderwärmung symbolisieren könnten.

Otobong Nkanga geht es um das Leben und die Endlichkeit dieses Lebens insgesamt. Sie sagt: „Die ganze Erde, die wir in uns tragen, der Staub in unseren Lungen, die Kristalle auf unserem Körper, die Steine in unseren Taschen, die Minerale in unserem Blut, unsere Risse und Brüche, unser Gold, unsere Edelsteine, am Ende kommt alles in der Erde zur Ruhe.“

Die gesamte Ausstellung zeigt sich als ein Werk, das die zeitliche Abfolge der gegenwärtigen Apokalypse in den Raum übersetzt. Klimakatastrophe und Vernichtung der Bedingungen für Leben auf diesem Planeten werden drastisch ins Bewusstsein der Besucher:innen gerufen. Die Kunst bietet zwar keine Lösungen an, aber kann zur Diskussion stellen, kann Verständnis und Sensibilität für die Gegenwart einmahnen, denn viele Beobachter sagen, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Welt stark verwandeln wird. Es werden zwar Milliarden Terabytes an Daten auf digitalen Bahnen um die Welt gejagt, gleichzeitig steht die Entwicklung, der tatsächliche Fortschritt gerade in Fragen der globalen Übereinkünfte gegen den Klimawandel, faktisch still. Es handelt sich um einen „rasenden Stillstand“, wie in etwa der französische Philosoph Paul Virilo in seinem gleichnamigen Essay schon vor dreißig Jahren diagnostiziert hat. Virilo hat in dieser Schrift auch den Wechsel von einem geozentrischen zu einem egozentrischen Weltbild der Gegenwart angesprochen. Wenn nur noch das Ego zählt, dann sind Einschränkungen des Einzelnen zugunsten der gesamten Gesellschaft schwer kommunizierbar. Die Ausstellung kommt genau richtig, um für die Weltklimakonferenz in Glasgow energisch globalen Klimaschutz einzufordern.

Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Otobong Nkanga
23.10.2021 - 06.03.2022

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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