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Joseph Leung Mong Sum - The Flag of Hong Kong Waving in Wind: A flag is a flag is a flag

Wenn der Wind in der Hong Konger Bucht von allen Seiten bläst, wickeln sich die Fahnen um ihre Masten. Das Wetter formt den flatternden Flaggenstoff zu spontanen Gebinden, faltet immer neue Origami-Figuren, die sich wie eine freie Folge von Kalligrafien vom Himmel abzeichnet. Diese natürliche Autopoesis dokumentierte der 1995 geborene Hong Konger Künstler Joseph Leung Mong Sum in einer Reihe dokumentarischer Fotografien. Ihr Titel lautet schlicht: „The Flag Of Hong Kong Waving in Wind“. Dies ist insofern hilfreich, da die fünfblättrige weiße Blüte der Bauhinia auf rotem Grund, das bekannte Wappen des Stadtstaats Hong Kong, auf den meisten Fotografien durch das Spiel des Windes unsichtbar wird. Zugleich jedoch kommt damit zur Aufführung, was im Motiv der Flagge schon angelegt ist, deren dynamisch im Kreis angeordnete Blütenblätter selbst auch als wehende Fahnen gesehen werden können. Auf poetische Weise verweisen die fotografischen Stillleben auch dann noch auf das Flaggenmotiv, wenn es nicht mehr ersichtlich ist. Es wird zwar nicht mehr vollständig abgebildet, ist aber dennoch in der Bewegung als unsichtbarer Bezugspunkt präsent.

 

Der amerikanische Künstler Jasper Johns stellte mit seinen Darstellungen der US-amerikanischen Flagge zahlreiche Interpret:innen vor die Frage: „Is it a flag, or is it a painting?“. Joseph Leung verschiebt diese Frage ins Medium der Fotografie, verändert sie und regt weitere Fragen an. Hier weht ein anderer Wind. Der Fotograf malt nicht, sondern hält einen Augenblick dokumentarisch fest. Das Flackern der Flagge ergibt sich aus den meteorologischen Gegebenheiten und entspricht der Funktion einer Flagge. Sie ist mit sich selbst identisch und eröffnet dennoch eine Differenz. Gertrude Stein schrieb an anderer Stelle: „A rose is a rose is a rose is a rose.“ Bedeutung ergibt sich aus einer Bewegung, die hier unabgeschlossen bleibt.

 

Übertragen auf die Fotografie einer Flagge, ergibt sich daraus die Frage zum Verhältnis der Flagge zum Wetter und ihrer Umwelt. Da die Fotografie eine Bewegung im Außenraum zeigt und die Flagge nicht zu einer Idealdarstellung verflacht, muss wohl auch jede mögliche Bedeutung vorläufig und ambivalent bleiben. Dies ermöglicht über die Betrachtung nach den Betrachtenden zu fragen. Wie bei einem Rorschachtest rufen auch die mannigfaltigen Formen der Flagge im Wind Assoziationen auf, die letztlich Projektionen sind. Doch gerade dies erlaubt sich über Ängste und Hoffnungen, Geschichte und Zukunft auszutauschen, die weit über das hinausreichen, was zu sehen ist. Dass es sich hierbei um die Flagge Hong Kongs handelt, macht das Spektrum an möglichen Deutungen umso reichhaltiger. Auch Kunst und Politik sind keine statischen Objekte, sondern relationale Formen des Austauschs, die nur dann gemeinschaftsbildend werden, wenn sie über das, was ist, auch auf das verweisen, was sein könnte.

Gegenwärtig ist Joseph Leungs fotografische Reihe: „The Flag Of Hong Kong Waving in Wind“ im Basler Ausstellungsraum „lotsremark“ von Janine Stoll und Harald Kraemer zu sehen – auch hier ist der Name des Raums eine Einladung zum Dialog.

Mehr Texte von Thorsten Schneider

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Joseph Leung Mong Sum - The Flag of Hong Kong Waving in Wind
22.09 - 31.10.2021

lotsremark projekte
4057 Basel, Klybeckstraße 170
Email: info@lotsremark.net
http://www.lotsremark.net/
Öffnungszeiten: Während Art Basel täglich 18:00–20:00, sonst Sa 16-18 h und nach Vereinbarung


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