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Monica Bonvicini - Stagecage: Angekettet in der Vorstadthölle

Architektur als gebaute Manifestation von (männlicher) Vorherrschaft ist seit vielen Jahren das Thema der in Berlin lebenden Monica Bonvicini. Hohe, uneinnehmbare Mauern, gerne aus Aluminium, matt oder glänzend, versperren Weg oder Blick, wie z.B. 2019 in ihrer Ausstellung im Belvedere21 oder der Berlinischen Galerie im Jahr 2017. Für die im Vergleich wesentlich kleineren Räume der Galerie Krinzinger reduziert Bonvicini die Dimension ihrer Bauten auf die Größe von Puppenhäusern. Auf einer am Boden liegenden Spiegelfläche und einem Tisch aus Aluminium platziert die Künstlerin aus Aluminiumstäben gebaute Modelle von Vorstadthäusern, die für viele das Ideal des Wohnens darstellen. Im Grünen gelegen, meist im Speckgürtel größerer Städte errichtet, stehen sie für den zunehmenden Flächenverbrauch, Pendlerverkehr und die psychologischen Abgründe des Vorstadtlebens. Bonvicini konterkariert die visuelle Leichtigkeit und Durchlässigkeit der Modelle durch die in ihren Arbeiten oft verwendeten schwarzen Ledergürtel, mit denen zwei Modelle zu einem Objekt aneinandergeschnallt werden. Tradierte Geschlechterverhältnisse sind quasi festgezurrt an die zu Beton gegossenen Träume von ländlicher Familienidylle am Autobahnzubringer. Zäh rinnt die Zeit durch eines der Häuschen, getaktet von frühen Modellen digitaler Zeitmessung, die noch die Versprechungen des digitalen Aufbruchs in sich tragen, der nun in der Vielfachbelastung des Homeoffice untergeht.

Ketten nehmen ebenfalls einen zentralen Stellenwert in Monica Bonvicinis Werk ein. Sie hängen 62 Tonnen Schuld schwer von Galeriedecken oder sind ausgelegt auf dem Boden von Kunstvereinen. Bei Krinzinger sind es jeweils drei ineinander greifende Glieder in Glas nachgegossen. Bedeutungsschwer und trotzdem fragil liegen diese auf verspiegelten Flächen. Zerbrechlich, pastellfarben leuchtend weisen sie zwar ein gewisses Gewicht auf, sind sie jedoch nicht belastbar, allenfalls dazu gedacht, von sachter Sammlerhand arrangiert zu werden. Ein kleiner Ausflug in die Ästhetik des Kunstmarkts, den die Künstlerin an der selben Wand, an deren Rückseite wieder einfängt. Dort sind die Ketteglieder wieder brachialer, auch wenn sie nur auf Papier und Leinwand gesprüht sind. Einen Einblick in den Schaffensprozess des Ateliers hat Bonvicini da in die Galerie Krinzinger transferiert. Man vermeint das Rasseln der Ketten zu hören die neben dem Schriftzug „I CANNOT HIDE MY ANGER“ ihren Abdruck hinterlassen haben.

Es gibt aber noch Hoffnung bevor die Schwarzen Ketten uns in die ewige Verdammnis ziehen. Leuchtend rot auf rosa gespraytem Grund kündet Bonvicini davon, wie wir der (Vorstadt)Hölle noch entkommen können: Mit POWER JOY HUMOR & RESISTANCE, aber wohl nur wenn wir FREELY INTENSELY SENSITIVELY & POLITICALLY bleiben.

Dazu braucht es nicht nur Bilder, sondern auch Ideen, die im Verborgenen von revolutionären Zellen erdacht werden. Verraucht dürfen Galerieräume mittlerweile ja nicht mehr sein, aber den schweren Geruch alkoholgeschwängerter Nächte voll politischer Diskussionen bringt Monica Bonvicini schon mal per Luftbefeuchter in die Ausstellung.

Mehr Texte von Werner Remm

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Monica Bonvicini - Stagecage
01.09 - 30.10.2021

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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