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For The Phoenix To Find Its Form In Us. Zu Restitution, Rehabilitierung und Entschädigung: Der Restitutions-Komplex

Das Thema „Restitution“ steht jetzt in Berlin bei SAVVY Contemporary und der ifa Galerie auf der Tagesordnung. Die Doppelausstellung „For The Phoenix To Find Its Form In Us“ reflektiert das Thema intelligent und engagiert zugleich.

So steht im Erdgeschoss von SAVVY Contemporary eine hölzerne Skulptur, ein Hybrid von Setzkasten und architektonischem Modell. In seinen Schubladen-Räumen sind gefundene Objekte aus dem Tal Wadi Al Shami in Jerusalem aufgehoben, ein kleiner Plastikfußball, antik anmutende Steine und ein gehäkeltes Tischdeckchen etwa. Gleich an der Wand gegenüber hängen Aquarelle, die eben solche Reliquien in präziser Darstellung auf weißem Grund darstellen. Die Installation „The Temporary Ruin: Cabinett of Curiosity“, 2010 – 2019, konjugiert so das Format der Wunderkammer irritierend durch, werden da doch Objekte vorgestellt, die so etwas wie die Überreste der palästinensischen Kultur repräsentieren, die jetzt bedroht ist durch die „Übernahme“ des Geländes durch israelische Siedler.

Schon diese Arbeit des in Jerusalem geborenen Künstlers Benji Boyadgian zeigt, dass die Ausstellung „For The Phoenix To Find Its Form In Us“ das Thema „Restitution“ im weiterem Sinne diskutiert, kurz formuliert: in einer ganzheitlichen Komplexität, die auch Fragen nach politischer Verantwortung für die Situation jeweils vor Ort stellt. Diese Diskussion „Zu Restitution, Rehabilitierung und Entschädigung “, so der Untertitel der Ausstellung, findet an den beiden Ausstellungsorten dann statt mit Fotoarbeiten, Installationen, Soundarbeiten, Skulpturen und Arbeiten auf Papier.

Die Drei-Kanal-Videoinstallation „ … still these practices are done in sharing her stories“, 2021, von Gladys Kalichini etwa zeigt im Untergeschoss von SAVVY Contemporary Frauen bei rituellen Handlungen der Fürsorge, wie etwa beim Waschen des Anderen. Kalichinis Zusammenstellung will nicht nur in ruhiger, sachlicher Sprache von der wichtigen, oftmals verschwiegenen Rolle der Frau in der Entwicklung des sozialen Handelns erzählen, sondern auch erinnern an fast schon vergessene, im Prozess der eurozentrischen Zivilisation nämlich unterdrückte Formen einer körperbetonten Solidarität.

Im Ausstellungsraum der ifa Galerie spricht Michael Rakowitz das Thema „Restitution“ vergleichsweise direkt an, seine großartige Installation „The invisible enemy should not exist“, seit 2007, nämlich präsentiert maßstabsgetreue Reproduktionen von Exponaten, die 2003 während der Invasion in den Irak, dem Beginn des Irakkrieges, aus dem Irakischen Nationalmuseum geplündert wurden. Die Repliken aus Pappmache sind vom Künstler signifikanterweise mit arabischen Tageszeitungen und Etiketten von in den USA erhältlichen Lebensmitteln aus dem Nahen Osten beklebt.

Gerade weil die Ausstellung und ihr Thema wichtig sind, muss die Frage nach ihrem Adressat gestellt werden. Gelingt es ihr aus den hermetischen Zirkeln des Kunstsystems auszubrechen oder bleibt sie ein Projekt für die (Berliner) urbane Elite der better educated people? Nahezu alle der an den beiden Orten präsentierten Arbeiten sind ohne das Lesen des Infoheftes kaum zu verstehen, fast schon selbstverständlich ist dieses Infoheft zudem bloß in englischer Sprache verfasst – Inklusion im Sinne von “Kultur für Alle“ sieht anders aus. Zumal dann in diesem Infoheft die Texte über die einzelnen Kunstwerke recht kurz sind. Der seitenlange Text des Kurators Bonaventure Son Bejeng Ndikung zum Konzept wiederum ist zwar ein engagiertes politisches Manifest, zur ausgestellten Kunst aber äußert auch er sich kaum. So ist zu befürchten, dass diese Ausstellung, wie die allermeisten in unserem Betriebssystem, ein Unternehmen für die Happy Few der Kunstwelt bleibt.

Mehr Texte von Raimar Stange

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For The Phoenix To Find Its Form In Us. Zu Restitution, Rehabilitierung und Entschädigung
24.06 - 22.08.2021

Savvy Contemporary
13347 Berlin, Reinickendorfer Straße 17
http://www.savvy-contemporary.com/


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