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Die Kunstmesse als Video

Ein Video beginnt mit dem Blick auf ein den Wienerinnen und Wienern wohl bekanntes Gebäude, das mit seinem funktionalistischen Stil die Skyline an der Grenze zum Stadtzentrum prägt. Der Establishing Shot, der das 1963/64 erbaute Hotel Intercontinental zeigt, wechselt zu einer langsamen Kamerafahrt in das überraschend opulente Interieur des ehemals größten Hotels Österreichs die in einem der Konferenzsäle endet. 13 Vitrinen sind im Raum platziert. Ihre klassisch-museale Anmutung bildet einen Kontrast zu den in den Vitrinen arrangierten Exponaten zeitgenössischer Kunst.

Die Präsentation selbst bietet keinen Anhaltspunkt auf die zugrundeliegende Intention des ungewöhnlichen Settings, wären da nicht die Inserts, die die ausführenden Künstler*innen mit den sie vertretenden Galerien verknüpfen. Es ist eine der aktuellen Pandemie geschuldete hybride Plattform, mit der 13 in der Stadt ansässige Galerien versuchen, der Tristesse des Lockdowns ein wenig Hoffnung auf eine baldige Wieder-Öffnung der Ausstellungsräume abzutrotzen.

Die von Henrikke Nielsen, Sophie Tappeiner und Emanuel Layr als Kunstmesse Interconti Wien initiierte Gemeinschaftsschau bildet einen Querschnitt durch die Galerienszene der Stadt. Dass es keine messetypische Standarchitektur sondern eben nur die aus dem Fundus des MAK stammenden Vitrinen gibt, ebnet ein wenig die Hierarchien zwischen den jungen und den alteingesessenen Galerien. Die Kamerafahrten des Videos geben einen kleinen Eindruck davon, wie ein Besuch der Ausstellung hätte aussehen können, was der im vergangenen Dezember verlängerte Lockdown nun leider verhindert.

Ambitioniert als einer der knappest möglichen Termine nach den ursprünglich verordneten Schließungen angesetzt, teilt die Interconti Wien nun das Schicksal mit den vielen anderen Kunstmessen, die ihr Heil im digitalen Raum suchen mussten. Das war zu Beginn der Pandemie, vor knapp einem Jahr noch durchaus aufregend, noch im weiteren Verlauf, zeigten sich gewisse Ermüdungserscheinungen bei den angesprochenen Kunstsamler*innen, beim fast immer gleichen Durchklicken sich ähnelnder Online-Viewing-Rooms. In Wien versucht man dies mit den Videos zu umgehen, die ein wenig das Wandern zwischen den Vitrinen und ein Gespräch mit Galerist*in oder Künstler*in simulieren sollen. Das hat den Vorteil, dass man sich als Publikum gemütlich zurücklehnen kann, anstatt zu klein layoutierte Info-Texte auf dem Smartphone entziffern zu müssen. Es bringt aber auch einen gewissen Ermüdungseffekt, durch das weitgehend ähnlich ablaufende Schnittmuster der einzelnen Videosequenzen. Dabei sind die in den Virtrinen installierten künstlerischen Positionen durchaus dazu angetan, intensiver betrachtet zu werden. Etwa Ernst Caramelle (Galerie nächst St. Stephan), der es schafft, den Glaskasten als minimalistischen Ausstellungsraum zu inszenieren, oder die kleine Auswahl an Editionen von Aleksandra Domanović bei and the editions. Schade dass Gelatin nur einen der schon 2019 bei Meyer Kainer gezeigten „Janusköpfe“ in die Vitrine setzt, während Lone Haugaard Madsen mit ihren Bronzegüssen von Weinstöcken, an das hier fehlende Gläserklingen einer im analogen Leben stattfindenden Vernissage denken lässt.

Leider sind die digitalen Ermüdungserscheinungen auch in der hiesigen Kunst- und Sammlerszene zu bemerken, denn der gestreamte Eröffnungsrundgang auf Youtube und die am selben Abend folgende live-Diskussion in der Hype-App Clubhouse, hätten sich mehr Publikum verdient.
Immerhin macht uns die Interconti Wien schmerzlich bewusst, was wir im Lockdown an persönlichen Kunstbegegnungen versäumen und erhöht so die Vorfreude auf die ersten wieder analog stattfindenden Ausstellungs- und Messeeröffnungen.

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Interconti Wien
Noch bis 7. Februar online unter
--> interconti.wien

Mehr Texte von Werner Remm

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