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Architektur Slowakei: Impulse und Reflexion: Zwischen Frost und Frühling

Das Fiat-Cabrio gleitet über die weiße Brücke, ein verglastes UFO auf asymmetrischen Stelzen grüßt aus luftiger Höhe. In der Gegenrichtung rauscht ein Karmann Ghia vorbei, elegante Glaskuben reihen sich am Ufer. Die wohl ein wenig anarchisch-ironische Szenerie trägt sich nicht in Lugano oder London zu, sondern im Bratislava des Jahres 1972. Keine Spur von Fiat-Cabrios, Alexander Dubcek war kaltgestellt, der Prager Frühling einem Moskauer Dauerfrost gewichen, und der Schimmelpilz der "Normalisierung" hatte das offizielle Leben überzogen. Die Brücke mit dem Aussichts-UFO aber blieb nicht auf der Entwurfscollage von Lacko/Kusnir/Slamen. Haarscharf an der Fassade des Doms vorbei, geradewegs über die demolierte Synagoge und über die Donau zu den Plattenbauten von Petrzalka baute man eine Stadtautobahn. Sie blieb eines der letzten Zeichen hoffnungsvollen Aufbruchs. Die Siebziger und Achtziger markierten den architektonischen Tiefstand eines mitteleuropäischen Landstrichs, der immer von seiner Mehrsprachigkeit profitiert hatte. Aufnahmen der Pressburger Filiale des Schuhhauses Bata aus den frühen Dreißigern zeigen einen mit hinterleuchteten Glasplatten verkleideten flachgedeckten Kubus mit dreisprachiger Werbung. Bis 1918 zum ungarischen Teil der Doppelmonarchie gehörend, stand die Slowakei unter dem starken Einfluss des Jugendstils von Ödön Lechner und der Nationalromantik von Dusan Jurkovic. Originalzeichnungen aus dem Nachlass von Jurkovic sind im Ringturm erstmals außerhalb der Slowakei zu sehen. Die Zwischenkriegszeit brachte erstklassige funktionalistische Bauten vor allem in den nordslowakischen Kurorten. Nach dem Tod Stalins wurde zwar immer noch gerne mit dem Vorwurf des "Formalismus" operiert. Dennoch konnten Projekte wie die an Oscar Niemeyer orientierte landwirtschaftliche Hochschule in Nitra realisiert werden. An Brasilia lässt auch Dusan Kuzmas Mahnmal des slowakischen Befreiungsaufstandes in Banska Bystrica denken, neben Ferdinand Miluckys skandinavisch inspiriertem Krematorium in Bratislava das beste Projekt der sechziger Jahre. Beide brauchen internationale Vergleiche ebensowenig zu scheuen wie die seit der slowakischen Selbständigkeit entstandenen Bauten von Jan Bahna, Juráni/Toma und Studeny/Kopecky.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Architektur Slowakei: Impulse und Reflexion
30.10.2003 - 29.02.2004

Architektur im Ringturm
1010 Wien, Vienna Insurance Group, Schottenring 1
Tel: +43 1 531 39-DW 1115 oder DW 1101
Email: philippe.batka@airt.at
http://www.airt.at
Öffnungszeiten: Mo - Fr 9 - 18 h


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