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#Kunsttrotzcorona 11

Dickes B, oben an der Spree

„Die Balkone – Life, art, pandemie and proximity“ - unter diesem Titel fand Ostersonntag und Ostermontag im Berlin Prenzlauer Berg eine Ausstellung statt, die sich vor allem auf Balkonen zeigte. Ein quasi „institutionsfernes“ Ausstellungsformat gewann hier neue Aktualität, das Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist und Florian Waldvogel in den frühen 1990er Jahren erfolgreich etabliert hatten. Flyer mit einem dicken, weißen B auf einem schwarzen Kreis wiesen da hin auf die Artefakte von immerhin gut 50 KünstlerInnen, darunter Big Names wie Olaf Nicolai; Sam Durant und Yael Bartana, aber auch sogenannte No Names der Szene. Allen gemeinsam ist eben, dass sie im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg wohnen. Ihre Arbeiten waren dann in der Nähe dieser aufgehängten Flyer zu finden, zuweilen ging es einem dabei wie beim Ostereiersuchen. Künstlernamen und Werktitel nannten die Flyer aber nicht und darum will ich es hier auch so halten.

Entdecken konnte man bei „Die Balkone“ z. B. Gedichte über Isolation, Einsamkeit und Epidemie, die auf Papier ausgedruckt in einem Hinterhof an einer Wäscheleine hingen und mitgenommen werden durften. Kurze Auszüge aus einem Skypegespräch zwischen einer Berliner Kuratorin mit einem Kollegen aus Moskau waren zu lesen, an einem weiteren Balkon hing eine Fotocollage, die einen inszenierten, derzeit nicht erwünschten Händedruck von einer Künstlerin mit einer ukrainischen Revolutionärin zeigte. Aus einem Haus fielen Filmprops auf die Straße, Joseph Beuys legendäres „Ja Ja Ja Ja Ja Nee Nee Nee Nee“, 1968, wurde einmal mehr von einer Schauspielerin reenacted und, wenig überraschend, Toilettenpapierstreifen hingen aus zwei Fenstern …

Die Qualität der Arbeiten von „Die Balkone“ war also durchaus durchwachsen, zum Teil handelte es sich lediglich um gut gemeinte „Fußnoten“. Wichtiger aber ist in diesem Kontext, dass hier ein wohltuendes Statement gesetzt wurde, das, anders als die derzeit all zu beliebten Online-Streamings, auf die reale Präsentation von Kunstwerken setzte, auf eine Auseinandersetzung mit Kunst also, die sich mit dem virtuellen Abklatsch tatsächlicher Erfahrung und Kommunikation nicht begnügte. Und somit eine wirkliche Alternative zu der Isolation und Individualisierung im Zuge der Kontaktsperre in Deutschland bot. Ein Wermutstropfen allerdings: Obwohl die von Ovül Durmusoglu und Joanna Warsza organisierte Ausstellung nur 4 Stunden an jedem der beiden Tage „geöffnet“ war, standen beileibe nicht alle der beteiligten Künstler*innen zu einem Gespräch bei ihren Arbeiten bereit.

Mehr Texte von Raimar Stange

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