#Kunsttrotzcorona 4
„Zwischen Kunst und Quarantäne“
Natürlich wünschen wir uns alle, dass Ausstellungen, die für den physischen Raum konzipiert wurden, auch in diesem zu sehen sein sollten. Das Abfilmen von Ausstellungen, nur um „irgendetwas“ zu zeigen, statt die Ausstellung zu verschieben, bringt niemandem etwas, am allerwenigsten den Künstler/innen. Ich bin ein großer Fan von virtueller Kunst, die von Anfang an als solche konzipiert war. Aber es gibt gute Gründe, warum man Kunst, die nicht für den virtuellen Raum geplant war, im Original sehen muss.
Was aber, wenn einem bis zum nächsten physischen Ausstellungsbesuch zu Hause schlicht die Decke auf den Kopf fällt? Für alle unter uns, die diese Frage nicht mit „ich lese zum dritten Mal meine Hegel-Sammlung-durch“ beantworten wollen, gibt es aktuell eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten, sich zu beschäftigen – und sich selbst dabei vielleicht auch nicht ganz ernst zu nehmen.
Eine Möglichkeit bietet der Instagram Account @tussenkunstenquarantaine („Zwischen Kunst und Quarantäne“), der zum Mitspielen einlädt. Und das geht laut Spielanleitung so:
1. Suchen Sie sich ein Kunstwerk aus
2. Verwenden Sie drei Attribute aus Ihrem Haushalt und stellen Sie es nach
3. Machen Sie Bild von sich und teilen Sie es mit dem Account (indem Sie ihn taggen)
Ob Sie dabei lieber eine orthodoxe Ikone darstellen wollen (@maartengerardlok) oder „Das Mädchen mit den Perlenohrringen“ von Vermeer (sehr beliebt, z.B. @annemarijnlouise) oder die Arnolfini-Hochzeit von van Eyck (@paulvdkant), bleibt ganz Ihnen überlassen. Gruppenbilder von Rembrandt könnten aufgrund des aktuellen Versammlungsverbots etwas schwierig werden, aber ansonsten sind keine Grenzen gesetzt.
„Das ist doch keine Kunst!“, höre ich schon jetzt die Kritiker/innen rufen. Ach nein? Die Tradition der „Tableaux vivants“, also der lebenden Bilder, ist bis in die Antike zurückzuverfolgen. Um 1800 kam es wieder in Mode, zeitgenössische und historische Werke der Malerei und der Plastik durch reale Personen nachzustellen. Damals wie heute war dieses Spiel sehr beliebt und erfreute sich einer ganzen Reihe prominenter Mitspieler/innen, darunter Jacques-Louis David und Lady Hamilton. Tableaux vivants begegnen uns in Fotografien von Cindy Sherman genauso wieder wie in Filmen von Pier Paolo Pasolini.
Also trauen Sie sich ruhig. Sie sind in allerbester Gesellschaft. Und wer doch lieber erst einmal den wissenschaftlichen Teil abhandeln will, bevor er mitmachen möchte, dem sei zum Einstieg dieses Buch als Lektüre empfohlen: „Belebungskünste. Praktiken lebendiger Darstellung in Literatur, Kunst und Wissenschaft um 1800“, hg. v. Nicola Gess, Annette Kappeler und Agnes Hofmann, erschienen 2019 im Wilhelm Fink Verlag.