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Damen im Herrenzimmer

Man hat es gewusst, schnappt aber trotzdem nach Luft, wenn man liest, wie Walter Gropius angesichts der Tatsache, dass sich am Bauhaus etwa gleich viele Männer und Frauen bewarben, zuerst höhere Gebühren für Studentinnen einführte und sie, als sie sich auch dadurch nicht abhalten ließen, sukzessive von fast allen Werkstätten ausschloss, sodass ihnen zeitweise nur noch die Weberei blieb. Die Architektur sollte ihnen nach Gropius` Wunsch auf jeden Fall verwehrt bleiben. Dörte Kuhlmanns Habilitationsschrift bietet einen mit zahlreichen solcher Beispiele illustrierten Querschnitt durch Konstruktionen von genderspezifischen Schemata in Kunst-, Sozial- und vor allem Architekturgeschichte. Das liest sich stellenweise etwas wirr, wenn soziale und rassistische Abgrenzungsmechanismen - etwa Dienstbotentreppenhäuser oder Einbahnstraßensysteme, die "bessere" US-amerikanische Wohnviertel von "schlechteren" bzw. "schwarzen" aus de facto unzugänglich machen - mit geschlechtsspezifischen durcheinandergeworfen werden. In den folgenden Kapiteln räumt Kuhlmann dank ihres sachlichen Zugangs aber mit einigen Untoten der Kulturgeschichte auf, etwa der einseitig freudianischen Phallus-Konnotation von Hochhäusern oder der der weiblichen von höhlenartigen Räumen und runden Formen. Nach einer Darstellung weiblicher Lebensweisen in der Antike geht es bis zur Moderne, etwa den komplexen Raum(-zonen)nutzungen im Haus Tugendhat, wo die alles andere als unemanzipierte Hausherrin immer am Schreibtisch ihres Mannes arbeitete. Sie selbst hatte keinen und auch nie einen eingefordert. Bessere Illustrationen wären schön gewesen, etwa statt des briefmarkengroßen, unterbelichteten Bildchens von Philip Johnsons Glashaus eine Abbildung des beschriebenen Gästehauses, das man sich wohl als pinkfarbenen "queer space" vorzustellen hat. Am Ende muss man jedenfalls dem Résumé zustimmen, "dass es wenig Grund gibt zu glauben, dass die Architektur eher von biologischen als sozialen Faktoren abhängt." Eben. Dörte Kuhlmann, Raum, Macht & Differenz. Wien: edition selene, 2003 14x21 cm 304 Seiten mit zahlr. Abb. Paperback ISBN: 3-85266-198-6 Euro: 21,70
Mehr Texte von Iris Meder †

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