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Peter Fischli: Ein Eulenspiegel unserer Zeit

Im Erdgeschoss zeigt Fischli Aufnahmen von GoPro-Kameras. Der Zuschauer reitet mit den Freizeithelden auf dem Wasser, segelt vom Himmel oder entschwindet wie eine Drohne. Der 12m Ticket-Tresen ist mit billigen Holzplatten verkleidet. Amüsiert verweist Fischli darauf, dass der Tresen mit der gleichen Funktion im Museum of Modern Art gerade mal 3,5 Meter lang sei. Ebenfalls im Erdgeschoß findet sich die Lithographie einer Kinderzeichnung von Peter Fischli. Der ungelenk, laut Künstler beinahe kitschige Affe stellt nicht nur im Titel „The Phantom of the Authentic“ die Frage nach der Authentizität. Im ersten Stock ist die Arbeit „Cans, Bags & Boxes“ (deutsch: „Dosen, Taschen und Schachteln“) zu sehen, die erstmals in der Galerie Reena Spaulings in Los Angeles ausgestellt wurde. Die ca. 300 Skulpturen aus Karton sollten in L.A. ursprünglich an die Herstellung von Attrappen für die Filmindustrie erinnern. Jetzt persiflieren sie die Verpackungsindustrie. Im zweiten Stockwerk stehen 26 aus gelbem Bauschaum bestehende „Skulpturen“ von Affen auf Podesten. Einmal blickt ein Affe melancholisch, einmal wie mit Totenkopf und mit Seuchenbeulen beerdigt oder er streckt dem Betrachter einfach die Zunge heraus. Im dritten Stock werden die Halterungen der Museumstexte selbst zum Kunstwerk. Die Boxen hängen in Bronze gegossen an der Wand, die von „Papierarbeiten“ übersät ist. Der Künstler möchte es dem Betrachter, der Betrachterin, überlassen, in den an den Rändern verrußten, ovalen Papierflächen Wolken, Sprechblasen, Mauerflecken oder gar Löcher in der cleanen grauen Kunsthauswand zu erkennen.

Peter Fischli gesteht im Gespräch die lapidare Vorgangsweise bei der Produktion der Ausstellung unumwunden ein. Das Video der GoPro-Kameras hat Fischli selber in einem MediaMarkt mit dem Handy aufgenommen. Die Bronzeboxen sind zufällig entstanden, als es darum ging, für überdimensionierte Museumstexte Halterungen zu finden. Die Vorlagen der „Papierarbeiten“ sind keineswegs originär, sondern bei Google unter dem Stichwort „abgebranntes Papier“ heruntergeladen. Es ist das Geschäft der Interpret/innen, einen kunsthistorischen Kontext herzustellen - für den Fischli fraglos die Spuren legt. So erinnern die Dosen natürlich an Campbell´s Soup Cans von Andy Warhol und der Umstand, dass sie in Farbe getaucht sind, verweist auf die Tatsache, dass Kunst einmal gemalt war, als Höhlenbild, als Tafelbild, als Leinwand gegenständlich oder abstrakt. Der Affe aus Bauschaum streckt ohne Frage auch den Heiligen Kühen des globalen Kunstmarktes die Zunge heraus, die ja von Roy Lichtenstein über Jeff Koons bis Damien Hirst alle ebenso im Kunsthaus Bregenz zu sehen waren. Die Halterungen für den Museumstext zum Kunstwerk zu erheben und in Bronze zu gießen ist u.a. natürlich eine Metapher: Die Hand mit dem Hammer bei der Auktion macht sich zum Kunstwerk, genauso artifiziell wie die 450 Millionen Euro jenes vielleicht von Leonardo da Vinci stammenden Salvator Mundi, der unter medialem Getöse den Besitzer wechselte. Die (Papier)Löcher im Kunsthaus haben einen immersiven Effekt: Der Betrachter sieht sich in einem Raum, dessen Wände braun abgefackelt und durchlöchert sind. Die Botschaft ist klar: Das Kunsthaus (und mit ihm der gesamte Kunstbetrieb) scheint einer Vorstellung von Kunst zu huldigen, die nur noch Ruine und eine leere Halterung zu sein scheint.

Peter Fischli hat nach dem Tod seines Partners David Weiss zu seinem eigenen Stil gefunden. Weniger Slapstick, mehr Fundamentalkritik, aber immer noch mit Tiefgang und sehr lustig. Der Künstler nimmt die Narrenkappe und macht den Hofnarr des pekuniären Weltkunstzirkus. Wie dieser Till Eulenspiegel unserer Zeit das macht, nötigt Respekt ab.

Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Peter Fischli
12.09 - 29.11.2020

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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