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Artissima 2019: Experimentierfreude zahlt sich aus

Experimentierfreude gehört zu den großen Stärken der Artissima in Turin. In diesem Jahr hat die Messe zwei eigene Satelliten in der Stadt installiert. Beide kommen jedoch nicht als klassische Verkaufsveranstaltungen daher, sondern sind kuratierte Ausstellungen mit Arbeiten von Künstlern, deren Galerien an der Muttermesse teilnehmen. Artissima Telephone findet im ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerk OGR statt, das heute ein Kulturzentrum ist, wo gleichzeitig unter anderem eine Ausstellung von Monica Bonvicini zu sehen ist. Abstract Sex zeigt in einem ehemaligen Ladenlokal eine Ausstellung zum Thema sexueller Identität, die in einer Institution ebenso gut aufgehoben wäre. Ob diese Projekte wirtschaftlich so gut funktionieren wie kuratorisch, steht auf einem anderen Blatt; einige Verkäufe gab es jedenfalls. Für Besucher*innen sind sie eine Bereicherung.

Die Artissima selbst ist mit ihren etwas über 200 Ausstellern für Sammler*innen eigentlich immer eine Bank. Da einerseits die Standpreise hier bereits bei 6.000 Euro beginnen und andererseits kein erfahrener Galerist mit allzu hohen Umsatzerwartungen hierher anreist, sind ambitionierte Präsentationen eine oft gewählte Visitenkarte. Eine Berliner Galeristin formuliert pointiert: "Die Teilnahme hier ist eine PR-Maßnahme, die aber jeden Cent wert ist."

Im deutschsprachigen Raum mag die Messe noch immer bei vielen Kurator*innen unter dem Radar laufen, bei Sammler*innen wird sie immer beliebter. Und das oft angestimmte Jammern über den schwachen Marktplatz scheint zumindest in diesem Jahr kaum angebracht zu sein. Sechs- oder gar Siebenstelliges hat hier allerdings wenig Chancen.

Bis 30.000 Euro geht jedoch einiges. Nicht in deutsche oder österreichische Institutionen - siehe oben. Und italienische Sammler sind ebenfalls rar. Doch fast alle befragten Aussteller berichten von Verkäufen an deutsche, britische, schweizerische Sammler*innen oder an französische Institutionen.

Carlos Duran ist mit seiner Galeria Senda aus Barcelona zum dritten Mal in Turin. "Das erste Jahr war fürchterlich", erklärt er, "das zweite sehr gut und dieses Jahr wird fantastisch." Klappern gehört zum Handwerk, klar. Doch für die Arbeiten von Sandra Vasquez de la Horra, die er in der Sektion "Disegni" zeigt, habe es bereits am Eröffnungstag ernsthaftes Interesse von zwei wichtigen italienischen Sammlungen gegeben. Eine davon hat dann tatsächlich gekauft, und zwar gleich die vier teuersten Arbeiten am Stand.

Die Galleria Lorcan O'Neill ist eine der ganz wenigen auch international etablierten Galerien aus Rom und zeigt mit Gianni Politi einen der ebenso raren auch jenseits der Alpen erfolgreichen römischen Künstler. Dass sie ihm hier und nicht auf der in letzter Zeit zumindest in Italien als etwas hipper geltenden MiArt in Mailand eine Solopräsentation widmet, hänge nicht nur damit zusammen, dass die Galerie praktisch schon von Beginn an hier teilnehme, sondern auch mit der Qualität und Internationalität der Besucher.

Ihre Position im internationalen Gefüge schätzt Messe-Direktorin Ilaria Bonacossa realistisch ein, sieht darin allerdings auch einen Vorteil: "Ich glaube, wir sind die Richtigen für diejenigen Galerien, die Künstlerkarrieren aufbauen, nicht für die mit den Millionenwerken. Diese Galerien gibt es, und auf eine verrückte Weise wird die Krise unseren Galerien helfen, weil das Platzen der Blase die Spreu vom Weizen trennen wird und diejenigen, die bloß Geschäfte machen, es viel schwerer haben." Und das wäre für die Kunst ja vielleicht nicht das Schlechteste.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Artissima 2019
01 - 03.11.2019

Oval - Lingotto Fiere
10126 Turin, Via Nizza 294
Email: info@artissima.it
http://www.artissima.it
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h


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