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Karin Kneffel: Distanz, Relevanz, Abundanz

Und plötzlich dieser Überfluss. Überfluss an Genres und Motiven, an maltechnischen Finessen und Delikatheiten, an Anspielungen und Zitaten, an Ebenen in Bedeutung und Raum. Die Künstlerin ihrerseits fasst über die Entwicklung ihrer Malerei zusammen, „Sie wird immer diffiziler, detailreicher und dadurch langwieriger“, um im folgenden über Routine und handwerklichen Fortschritt zu konstatieren, „Vor zwanzig Jahren hätte ich meine Bilder von heute nicht malen können, ich hätte nicht gewusst wie.“
Dabei hätten einem schon bei ihrem Einstand in den Kunstmarkt der1990er Jahren die Augen über gehen können, ob der gemalten Opulenz der überdimensionierten Früchte, der technischen Raffinesse, mit der sie die Bildwürdigkeit des eher als zu dekorativ verpönten Sujets eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Und in der Tat lässt sich über die Jahre beobachten, wie in Kneffels bisherigen Œuvre die technischen Herausforderungen an die Künstlerin diffiziler werden, die Themen komplexer, der Bildaufbau komplizierter, entsprechend deren Rezeption. Seit ihrer Arbeit zu Haus Lange und Haus Esters, den zwei Villen von Mies van der Rohe, die heute als Museum genutzt werden, gehen mit den Werkgruppen nicht nur umfangreiche Recherchearbeiten einher. Die Probleme, die sich der Künstlerin hier stellten, hatten sie zu einer völlig neuen Konzeption veranlasst. Kneffel hatte begonnen anhand von schwarz-weiss Fotografien die Räume der Villen zu rekonstruieren und ist hierbei zu der Frage gelangt, wie die Farbigkeit der Interieurs wohl seinerzeit ausgesehen haben mag. Da sie bei ihrer gemalten Rekonstruktion diesbezüglich keine Willkür walten lassen wollte, stellte sich sich das Szenario in der Abendstimmung getrennt durch ein regennasses Fenster vor. Scheiben wie Tropfen bauen zwischen dem Betrachter und dem Bildraum eine durchaus gewünschte Distanz auf.

Das Fensterglas schiebt sich ganz buchstäblich zwischen Bildraum und Betrachter, wird zum zusätzlichen Malgrund und zur partiellen Linse oder spiegelnden Fläche. Maltechnisch sind diese Leinwände Meisterwerke, doch möchte man jene Bilder in ihrer bisweilen verstörenden Vielschichtigkeit und ihren deutlichen Bezügen eher in die 1990-er Jahre verorten. Mal fühlt man sich an Jeff Wall erinnert, dann wird Richter zitiert und werden Werke der Moderne kopiert, mal denkt man an Großmeister Hitchcock, später an David Lynch, das alles durch benetzte Glasscheiben. Gleichzeitig ist es ein gekonntes Auftrumpfen von gemalten Realitäten und Materialitäten, es ist Malerei, die Malerei thematisiert.

Es hätte die Ausstellung in Baden-Baden in ihrer Gesamtheit eine ganz wunderbare Retrospektive werden können. Im kleineren Ausstellungsraum in der Ebene zwischen den beiden großen Ausstellungssälen wären beispielsweise einige frühere Kleinformate untergebracht gewesen oder womöglich Vergleichbares oder Verwandtes aus der Sammlung. Stattdessen hat man mit der afro-brasilianischen Künstlerin Sonia Gomes eine Position inmitten von Kneffels Œuvre gepflanzt, von der man sich fragt, welches kuratorische Kalkül wohl dahinter stecken mag. Hier groß und auf zwei Ebenen die seit nun drei Jahrzehnten am Kunstmarkt erfolgreiche deutsche Kunsthochschulprofessorin, dort als wenig einleuchtender Einschub eine Künstlerin die in ihrer Intersektionalität den im momentanen Kunstbetrieb bevorzugten diskursiven Kriterien entspricht. „My work is black, it is feminine, and it is marginal. I‘m a rebel.“, wird Gomes zitiert und es liest sich wie die absolute Gegenposition zu Karin Kneffel.

Freilich, Sonia Gomes erfährt eben ihre erste große europäische Einzelausstellung im Salon Berlin der Sammlung Burda. Der versteht sich eigentlich nach dem Generationenwechsel an die Stieftochter Patricia Kamp und dem Tod des Sammlers Frieder Burda „mehr als ein Projekt- und Schauraum, der das Museumsprogramm und die Sammlung des Mutterhauses begleitet und vermittelt.“ Nun ist es umgekehrt. Klar ist Berlin mehr sexy als Baden-Baden, doch was für die beiden Orte gilt, muss lange nicht für die Künstlerinnen gelten.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Karin Kneffel
12.10.2019 - 08.03.2020

Museum Frieder Burda
76530 Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8 b
Tel: +49 (0) 72 21 / 3 98 98-0, Fax: +49 (0) 72 21 / 3 98 98-30
Email: office@museum-frieder-burda.de
http://www.sammlung-frieder-burda.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00 - 18.00


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