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Expo Chicago 2019: Frischer Wind von nebenan

Die Expo Chicago scheint in ihrer aktuell achten Ausgabe ihren Platz gefunden zu haben. Der bekannte amerikanische Pragmatismus ist augenscheinlich anfänglichen Träumen gewichen, ganz oben mitspielen zu wollen. Während in Europa immer wieder mal Messebetreiber davon fantasieren, ihre eigene Veranstaltung auf Augenhöhe mit Art Basel und Frieze zu hieven und dabei das eigene Potenzial vernachlässigen, besinnt man sich am Michigansee auf die starke Verwurzelung in der Region.

Immerhin hilft alle zwei Jahre die Architektur-Biennale dabei, über den Mittelwesten hinaus Besucher anzulocken. Dieses Jahr kommt außerdem mit der Invitational erstmals eine hochkarätige Satellitenmesse dazu. Sie wird von der NADA, einer Vereinigung jüngerer Galeristen veranstaltet, die in Miami bereits gut eingeführt ist, und versammelt rund 40 Aussteller in zentraler Lage. Einziger Teilnehmer aus einem deutschsprachigen Land ist Christian Lethert aus Köln. Weniger konservative Sammler werden hier vielleicht eher fündig als auf der großen Messe.

Unter den rund 130 Ausstellern der Expo Chicago sind viele Blue Chip-Galerien, die allermeisten von ihnen aus den USA, wie David Zwirner oder Matthew Marks. Im etablierten Segment hat sich die Messe einen guten Ruf erworben; mittlerweile ist sogar Paula Cooper aus New York dabei, die sich bisher immer geziert hatte. Auch Hauser & Wirth aus London, Zürich etc. leistet sich erstmals einen Auftritt. Gagosian und Pace fehlen allerdings. Dass der belgische Edeleinrichter Axel Vervoordt hier ausstellt, sagt viel über die Positionierung der Messe.

Das mag als konservativ gelten, hat aber seine Vorteile. Albertz Benda ist aus New York mit einer Solo-Show von Christopher Le Brun angereist. Die abstrakten Großformate zu Preisen bis 150.000 US-Dollar haben im zeitgenössischen Diskurs gerade keinen leichten Stand, denn ihr Urheber ist nicht nur Präsident der Royal Academy in London, sondern auch noch weiß und männlich. In den Bildern geht es zudem um Malerei, nicht um Politik. Doch gerade das komme bei den hiesigen Sammlern gut an, erklärt Thorsten Ben Albertz.

Einen erstaunlichen Vergleich zum Stellenwert der Expo stellt Galerist David Nolan aus New York an: „Illinois ist wie Nordrhein-Westfalen. Es gibt so viele großartige und aktive Institutionen hier – und die Sammlerschaft wächst.“ Das Lob mag den Rheinländern schmeicheln. Doch es beschreibt auch ein Dilemma, weil das rheinische Publikum bevorzugt bei einheimischen Galerien kauft und es Auswärtigen damit schwer macht, auf ihre Kosten zu kommen. Nolan begegnet dieser Zurückhaltung dadurch, dass er unter anderem Lokalmatador Jim Nutt zeigt, aber auch international bekannte Künstler wie Jonathan Meese oder Jorinde Voigt.

Als europäische Galerie, womöglich noch mit einem jungen Programm, ist Chicago nicht einfach, zumal die Messe recht teuer ist. Gleich 12.000 Euro kostet ein geförderter One artist-Stand. Die Preise für reguläre Kojen starten ungefähr beim Doppelten. Bei ihrem zweiten Auftritt hat sich die Berliner Galerie Kornfeld für eine Solo-Präsentation entschieden, um die monochromen Wandskulpturen aus Wellpappe von Martin Spengler hier einzuführen. Das hat auf Anhieb schon gut funktioniert. Schon am Nachmittag der Eröffnung waren drei Arbeiten zu je 7.000 Euro verkauft. Kein Wunder, beschäftigt sich der Künstler doch mit Architektur, auf deren lokale Tradition man stolz ist. Die Käufer seien durchweg einheimische Privatsammler, erklärt der Galerist. Und das Objekt mit den markanten Marina Towers hätte er gleich fünfmal verkaufen können. Nur für eine wandfüllende Arbeit zu 49.000 Euro wollte sich niemand auf Anhieb entscheiden.

Die anfangs beachtliche deutschsprachige Beteiligung war zwischenzeitlich deutlich ausgedünnt. In diesem Jahr haben wieder einige Galerien mehr den Sprung gewagt. Ernst Hilger aus Wien mischt auch in den USA bekannte Klassiker wie Larry Rivers und Ugo Rondinone mit Positionen aus seinem jungen Programm wie Jakob Kirchmayr und Marko Tadić. Thaddaeus Ropac aus Salzburg, Paris und London breitet sein Blue Chip-Sortiment von Baselitz bis Beuys aus. Blickfänger an seinem Stand ist eine monumentale Kohlezeichnung Robert Longos mit einem Motiv, das selbst Laien auf den ersten Blick erkennen: die Bar der Folies-Bergère von Edouard Manet.

Expo Chicago ist eine Regionalmesse im guten wie im schlechten Sinne: Galerien treffen hier auf ein kulturell interessiertes und finanzstarkes, wenn auch konservatives Publikum, auswärtige Besucher profitieren auch vom facettenreichen Umfeld der Messe.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Expo Chicago 2019
19 - 22.09.2019

Navy Pier
IL 60611 Chicago, 600 E Grand Ave
http://www.expochicago.com
Öffnungszeiten: Fr, Sa 11-19, So 11-18 h


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