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Benjamin Nachtigall - Symbiose: Zitronenkopf und Distelhaar

Oder wie man die Tradition der künstlerischen Kleinkeramik ins 21. Jahrhundert überführt.

Man denkt unwillkürlich an Vally Wieselthier oder Gudrun Baudisch und die große Zeit der Wiener Kunstkeramik vor beinahe hundert Jahren, wenn man die Ausstellungsräume der Galerie Gerersdorfer betritt. Hier gelingt es einem jungen zeitgenössischen Künstler an eine lang in Vergessenheit geratene Tradition der künstlerisch anspruchsvollen aber dennoch dekorativen Kleinkeramik anzuschließen und daraus seinen eigenen zeitgemäßen Stil zu entwickeln.

Die maximal knapp einen halben Meter hohen Skulpturen spielen charmant mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen Natur (es gibt wohl kaum ein natürlicheres Material als den hier mutmaßlich verwendeten Ton, der ja im wesentlichen eine Form von Erde ist) und Technik. Die humanoiden Figuren wachsen aus ihrer Umgebung heraus und tragen Pflanzenteile und Früchte statt Köpfen. Manche dieser einfachen aber sehr effektvollen Skulpturen sind völlig versunken mit ihren Mobiltelefonen oder sonstigen Smart-Devices beschäftigt und somit klar in der Gegenwart verortet.

Zur starken Wirkung der Objekte trägt nicht unwesentlich die in den Galerieraum erweiterte Gittergerüst-Struktur bei, welche einige der kleineren Objekte zu zitieren scheint und auch als Sitz oder Liege für die Kleinkeramiken dient. Sehr sympathisch an dieser kritischen Auseinandersetzung mit unserer digitalen Welt ist, dass die Figuren verletzlich und im besten Sinn menschlich wirken und das trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Gemüseköpfe, da so Identifikation leichter möglich ist, als durch individuelle Gesichter.

Die ebenfalls ausgestellten Bilder und Zeichnungen haben in dieser Präsentation eine klar untergeordnete und eher kommentierende Rolle, da sie sich allesamt auf die gezeigten Objekte beziehen aber bei weitem nicht die selbe physische Präsenz entwickeln.

Mehr Texte von Wolfgang Pichler

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Benjamin Nachtigall - Symbiose
12.09 - 12.10.2019

Galerie Gerersdorfer
1090 Wien, Währinger Strasse 12
Tel: +43 1 310 84 84, Fax: +43 1 310 84 85
Email: office@gerersdorfer.at
http://www.kunstnet.at/gerersdorfer
Öffnungszeiten: Do, Fr, Sa 11-20


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