Palast der Republik - Utopie, Inspiration, Politikum: Die Erinnerung der Anderen
In den 1970er Jahren war der Palast der Republik ein Zukunftsversprechen. Ausgestattet mit modernster Technik, sollte er ein Haus für Arbeiter, ein Regierungsgebäude und ein Ort des kulturellen Austauschs sein. Dieser Anspruch war nicht nur für die DDR unüblich. Es gibt zeitgleich international nur wenige Gebäude, denen von Anfang an eine vergleichbare Multifunktionalität als Konzept eingeschrieben wurde, so das Centre Pompidou, das 1977, ein Jahr nach dem Palast der Republik, eröffnet wurde. Die Geschichte des Palasts ist bis heute sehr aufgeladen und der Umgang mit ihr ist bis heute politisch geprägt.
Aktuell stellt sich die Kunsthalle Rostock mit der Ausstellung „Palast der Republik. Utopie, Inspiration, Politikum“ der Herausforderung, sich dieser komplexen Vergangenheit anzunehmen. Mithilfe verschiedener Blickwinkel von 46 Künstler*innen will sie sich dem Thema nähern, zu sehen sind rund 150 Werke. Neben historischen Artefakten aus dem Palast selbst, wie etwa die Originalbestuhlung der Volkskammer der DDR oder die Gestaltungsentwürfe des Geschirrs mit dem bekannten PdR-Logo von Klaus Wittkugel (um 1974), sind auch viele zeitgenössische Arbeiten zu sehen – die jüngste Videoarbeit wurde eine Woche vor Eröffnung fertiggestellt. Das Thema hat offensichtlich nicht an Aktualität eingebüßt.
Während der Palast für die Einen eine „No-Go-Area“ war, „die man mied“, wie die Künstlerin Andrea Pichl sagt, war er für andere ein Ort, der regelmäßig besucht wurde und in dem man Tanzen ging. Dass die Erinnerungen an den Palast so vielschichtig sind wie der Ort selbst, zeigt die Arbeit „Palast der Republik – Tanzboden Erinnerungen“ (2003/04) von Nina Fischer & Maroan el Sani. Sie befragten ehemalige Besucher*innen des Jugendtreffs des Palasts der Republik, wie der dortige Tanzboden gestaltet war, und hielten die Antworten in Texten und Collagen fest. Heraus kamen Beschreibungen, die in ihrer Vielfalt genauso stark variieren wie die Meinungen über das Gebäude selbst.
Bemerkenswert an vielen Diskussionen um den Palast, wie schnell das Gebäude zum Symbol per se für die Ost- West-Geschichte wird. Die Kunstwerke verstärken diese Komplexität, doch geht es in der Schau nicht nur um ein Ost-West-Thema oder um das Abbilden verschiedener Lobbyinteressen zu unterschiedlichen Zeiten. Vielmehr wird beim Besuch schnell klar, dass andere Fragen im Zentrum stehen: „Wann eignet sich Kultur für einen bestimmten Platz, für einen bestimmten Ort?“ „Was soll an der Stelle mitten in Berlin passieren?“ Diese Fragen sind hochaktuell und betreffen nicht nur das Humboldt Forum, das sich selbst mit dem Museum des Ortes auf die Fahnen geschrieben hat, die Geschichte des Palastes und somit auch der DDR zu reflektieren. Es erfordert eine Steigerung der Komplexität, um über diese Aspekte ohne Polemik zu reden.
Das Besondere der Präsentation ist, dass die gesamte Lebenszeit des Palastes, inklusive seines Nachlebens, auf einem durchweg hohen Niveau abgedeckt wird. Es sind die Erinnerungen der Anderen, die die Ausstellung wertvoll machen, denn es ist spannend, so der eigenen Geschichte nahezukommen. Viele Besucher*innen steigen mit ihren Erinnerungen erst bei der Arbeit „Zweifel“ von Lars Ø Ramberg ein, die sich mit großen Buchstaben auf dem Dach schnell in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben hatte. Doch in dem Moment war der Palast schon Ruine.
Die Kuratorin Elke Neumann fand es spannend, an dieser Stelle tiefer zu gehen und sich nicht nur der allseits beliebten künstlerischen Phase zu vergewissern, sondern die einzelnen Schichten zu zeigen, die sich nie wirklich vermischt haben. Neumann: „Es gibt keine einfachen Geschichten über den Palast. Am Beispiel des Palastes sieht man, dass man sich nicht von Komplexität abschrecken lassen sollte, sondern dass verschiedene Sichten auf ein Thema verschiedene Lebensrealitäten erzählen, die divergieren und bereichern können.“
Die Ausstellung trägt fast 30 Jahre nach der friedlichen Revolution mit ihrem prismatischen Ansatz und den unterschiedlichen Blickwinkeln der verschiedenen Künstler*innen dazu bei, ein neues Interesse für die deutsch-deutsche Geschichte zu entwickeln.
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Zu empfehlen: Der Katalog ist reich bebildert, enthält Interviews mit einigen Zeitzeugen und unterstreicht damit die Möglichkeit, sich dem verschwundenen Gebäude zu nähern.
01.06 - 13.10.2019
Kunsthalle Rostock
18069 Rostock, Hamburger Strasse 40
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Öffnungszeiten: Di - So 11-18 h