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Henri Chopin - Lutte Poétique: Der universelle Körper

Henri Chopin, dem stimmgewaltigen Zeitzeugen der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts widmet die Galerie Kargl eine umfassende Personale. Zu sehen sind das poetische Werk Chopins, der seit 1969 visuelle Gedichte in die Schreibmaschine schlug, sowie Soundperformances und Skulpturen.

1922 in Paris als Kind mit jüdisch-polnischen Wurzeln geboren, wurde er 1943 mit der deutschen Besetzung von Paris inhaftiert, kam von Lager zu Lager und schließlich in Haft nach Königsberg wo er 1944 zu den Russen überlief. 1950 kehrte er nach Paris zurück.

Schon als Kind erwachte früh in ihm der Wunsch Sänger zu werden, doch die Gräuel des Krieges und die dabei gemachten Erfahrungen ließen Chopin eine konventionelle Gesangsausbildung absurd erscheinen.

Begeht man die Ausstellung in der Galerie Georg Kargl von ihrem Endpunkt aus so bekommt man einen guten Eindruck von den künstlerischen Schwerpunkten, die der Künstler Henri Chopin setzte. Zu sehen sind eine Soundperformance von 1974 mit seiner Originalstimme und Metallskulpturen, die dünn und hoch aufragend, menschlichen Figuren gleich, mit Tonbändern behängt sind. Die menschliche Stimme als Instrument zu verstehen, unaussprechliches mit dem Kehlkopf zu artikulieren, damit traf Chopin in den 50er Jahren den Nerv seiner Zeit. William S. Burroughs, Raoul Hausmann und Wolf Vostell zählten zu seinen Freunden und Kollegen. Das Happening des Fluxus, das prozesshafte Theater war eine Möglichkeit politische und persönliche Zustände auszudrücken.

Neben der poésie sonore entwickelte Chopin aber ab 1969 die poésie visuelle, deren zarte Formationen in vielerlei Varianten bei Kargl zu sehen sind. Buchstabe an Buchstabe gereiht ergeben Sie in der Zusammenschau den Eindruck eines feingewebten Musters. Wie zarte Gespinste thematisieren sie Zeitzustände und tragen manchmal durchaus politische Titel, wie „..les règles de la Finance“ von 1987. Die Farben sind oftmals jene der Tricolore. In anderen Arbeiten collagiert er mit Münzen und Kaffeefiltern Themen wie die Einführung des Euro 2002.

Henri Chopins Typografien sind in ihrem künstlerischen Ausdruck durchaus internationalen Zeitgenossen ähnlich wie die eines Ian Hamilton Finlay oder des Österreichers Heinz Gappmayr. Gappmayr präsentierte seine Arbeiten manchmal auch in Zusammenhang mit Soundperformances.

Der Körper als Instrument kommt bei Chopin auch in dem Tippen der Buchstaben zum Ausdruck. Das „Hämmern“ in die Maschine, der saubere und klare Aufdruck des Farbbandes, all das sind Folgen eines präzise akzentuierten körperlichen Einsatzes.

Chopin, der durch sein langes Leben - 1922 bis 2005 – die europäische Katastrophe und den Neubeginn nach 1945 leibhaftig miterlebte, hatte ein seismographisches Gespür für politische Veränderungen.

Mit seiner Poetik war er 1992 und 1993 als Lehrer in der Wiener Schule der Dichtung tätig. Einer seiner seltenen späten Auftritte fand 2005 im Porgy und Bess statt.

Dass die Galerie Georg Kargl nun dieser wichtigen europäischen Stimme mit dieser umfassenden Ausstellung ein breites Podium gibt, ist ein wesentliches kunsthistorisches Unterfangen. Wir brauchen heute mehr denn je Stimmen wie die von Henri Chopin.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Henri Chopin - Lutte Poétique
08.03 - 20.04.2019

Galerie Georg Kargl
1040 Wien, Schleifmühlgasse 5
Tel: +43 1 585 41 99, Fax: +43 1 /585 41 99-9
Email: office@georgkargl.com
http://www.georgkargl.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-19
Sa 11-16h sowie nach Vereinbarung


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