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David Wojnarowicz - Photography & Film 1978–1992: Existentiell, konzeptionell, düster

In den Berliner KunstWerken stellt der Direktor Krist Gruijthuijsen jetzt in der Ausstellung “David Wojnarowicz Photography & Film 1978 – 1992“ einen konzentrierten Blick auf die Bildkunst des US-Amerikaners vor – eine so düster-beklemmende wie überaus überzeugende Zusammenstellung.

Schwuler Edelkitsch, wie man ihm z. B. bei Robert Mapplethorpe des Öfteren findet, sucht man bei David Wojnarowicz vergebens. Stattdessen zeigt die Ausstellung “David Wojnarowicz Photography & Film 1978 – 1992“ Arbeiten des 1992 an AIDS gestorbenen Künstlers, die ungeschönt erzählen von dessen Leben als Außenseiter in den späten 1970er bis zu den frühen 1990er Jahren in New York, vom Leben auf der Straße etwa, von AIDS und von schwuler Erotik. Da ist z. B. Wojnarovicz' früher Film „Heroin“, 1981, zu sehen, der in rauen schwarz-weiß Aufnahmen die Prozedur des sich „einen Schuss setzen“ schonungslos ins Bild setzt. Oder der unvollendet gebliebene Film „Fragments for a Film About Peter Hujar“, 1987 – 88, der eine poetische Hommage an den1987 gestorbenen Künstlerfreund werden sollte. Und da zeigen (Dokumentar)fotos Graffities von Wojnarowicz', der sein Kunststudium übrigens schnell abbrach, aus den 1970er Jahren, einer Zeit, in der Wojnarowicz zudem in seiner Band „3 Teens Kills 4“ lautstark musizierte. (Auf YouTube finden sich Beispiele hierfür.)

Seinen Status als (kultureller) Außenseiter untermauerte Wojnarowicz, der auch als Schriftsteller und AIDS-Aktivist arbeitete, bereits in seiner Fotoserie „Arthur Rimbaud in New York“, 1978 – 79, für die der Künstler Freunde bat, sich mit einer Pappmaske, die das Konterfei des so skandalumwitterten wie gerade in der Undergroundszene legendären französischen Dichters zeigt, in unterschiedliche Posen an diversen Orten im „Big Apple“ von ihm fotografieren zu lassen. Der gleichsam reanimierte und zeitreisende Rimbaud, dem ja eine ebenso intensiv-kurze Schaffenszeit „gegönnt“ war wie Wojnarowicz, tritt da auf am Time Square, liegt onanierend auf einem Bett, sitzt auf dem Motorrad oder schaut in der New Yorker U-Bahn fahrend stoisch in die Kamera des Künstlers. Wojnarowicz gelingt so mit seiner schwarz-weißen Fotoserie ein intimer, aber durch das Rollenspiel der maskierten Freunde gleichzeitig distanzierter Akt der Identifikation, der paradigmatisch ist für die meist konzeptionell-krude Ästhetik das Amerikaners.

Im Basement der Kunstwerke stehen dann zwei Filme im Mittelpunkt: „ITSOFOMO – In the Shadow of Forward Motion“ (mit Ben Neill), 1998/2018, und „A Fire in My Belly“ (1986 – 1987). Letzterer stellt ein düsteres Porträt der postmodernen „comedia humaine“ dar: Die handlungsbefreite Collage setzt sich in furios-bedächtiger Reihung zusammen aus Bildern etwa von beinlosen Männern, die auf einfachen Holzwagen über die Straße rollen, umso längere, in Uniformhosen steckende Männerbeine folgen, dann feuerspeiende Jugendliche, die auf der Straße damit versuchen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, Hahnenkämpfe, Boxkämpfe, ein dressierter Affe ... dazwischen geschnitten immer wieder Spielkarten und die Abbildung einer alten Dampflok. Der beklemmende Stummfilm ist ein Höhepunkt einer wichtigen Ausstellung, deren Qualität nur durch einen Wermutstropfen getrübt wird: Die Tonspur von „ITSOFOMO“ erklingt so laut im Raum, dass die konzentrierte Rezeption von „A Fire in My Belly“ leider beeinträchtigt wird.

Mehr Texte von Raimar Stange

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David Wojnarowicz - Photography & Film 1978–1992
09.02 - 05.05.2019

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