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Lotte Laserstein - Von Angesicht zu Angesicht: Modern, selbstbewusst, vergessen & wiederentdeckt

Der Tag geht zur Neige, am Tisch ist noch Brot, Obst und etwas zu trinken übrig. Das Gespräch der fünf jungen Menschen an der Tafel allerdings scheint versiegt, jeder ist in sich und den eigenen Gedanken versunken. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wir nichts mehr sein, wie es war. „Abend über Potsdam“ ist der Titel dieses Mahls auf einer Terrasse, düster hängen graue Wolken über dem Stadtprospekt. Bei dem 1930 entstandenen Gemälde handelt es sich zweifelsfrei um das Hauptwerk von Lotte Laserstein (1898-1993). Jahre später, nach der Emigration, nach dem Krieg wird sie es gleichsam als Fenster in die Vergangenheit als Hintergrund für ein Selbstportrait benutzen, im Städel bildet es nun das Zentrum der Ausstellung „Von Angesicht zu Angesicht“.

Laserstein wusste bereits seit ihrer frühen Jugend, dass sie unverheiratet bleiben und ihr Leben der Kunst widmen wollte, gehörte zur ersten Generation von Frauen, die an der Berliner Hochschule für die Bildenden Künste studiert hatte, konnte sich mit Portraitauftragen und Ausstellungsbeteiligungen einen Namen machen, unterhielt eine kleine Malschule, gewann Preise, wurde in den Feuilletons nachgerade hymnisch besprochen. Kurz gesagt, die Künstlerin war auf dem besten Weg zu einer internationalen Karriere, hätten sich die Zeiten anders entwickelt. Ab 1935 kann sie nur mehr im Rahmen des jüdischen Kulturbundes in Deutschland ausstellen, die Malschule muss sie schließen und als sich eine Möglichkeit bietet in Schweden auszustellen, bleibt sie mitsamt ihres Œuvres in Stockholm, wo sie sich als Portraitmalerin etablieren kann. Die auf den Weg gebrachte internationale Karriere allerdings findet keine Fortsetzung mehr.

Im Zentrum der von Alexander Eiling und Elena Schroll kuratierten Frankfurter Ausstellung stehen die Portraits der Berliner Zeit, allesamt aus den 1920er und 1930er Jahren. Die moderne, selbstbewusste, sportliche Frau – Lasersteins Motive haben viel mit jenen der Neuen Sachlichkeit zu tun. Doch fehlt ihnen die kühle Distanz und Glätte. Der Pinselduktus der Künstlerin bleibt lockerer, der Blick dem Realismus verhaftet, der Griff in den Zitatenschatz der Kunstgeschichte weist auf eine gediegene akademische Ausbildung hin.

Und immer wieder die Selbstvergewisserung als Künstlerin. Zu den stärksten Bildern der Ausstellung gehören jene Werke, in denen Laserstein sich gemeinsam mit ihrem bevorzugten Modell (Traute Rose) bei der Arbeit malt. „In meinem Atelier“ (1928), „Ich und mein Modell“ (1929/30) vor dem Spiegel (1930/31) sind die Titel dieser Kabinettstücke in denen die Künstlerin selbstbewusst ihr Können vorführt. Akt, Landschaft, Genre, (Selbst-)Portrait die klassischen Sujets versammeln sich in diesen Bildern. Man darf Lotte Laserstein getrost als eine der interessantesten Wiederentdeckungen der letzten Jahre bezeichnen.

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Von 05.04. bis 12.08. ist die Ausstellung in der Berlinischen Galerie zu sehen

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Lotte Laserstein - Von Angesicht zu Angesicht
19.09.2018 - 17.03.2019

Städel Museum
60596 Frankfurt am Main, Dürerstraße 2
Tel: +49 69 605098-0, Fax: +49 69 605098-111
Email: info@staedelmuseum.de
www.staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Fr - So 10.00 - 18.00, Mi, Do 10.00 - 21.00


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