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Die Stadt Kassel hat den Obelisken von Olu Oguibe abgebaut

Noch am ersten Oktober dieses Jahres hatte der nigerianisch-amerikanische Künstler Olu Oguibe ein Statement veröffentlicht, in dem er der Stadt Kassel neuerlich Verhandlungen um den Ankauf seiner Skulptur anbot, die im Rahmen der documenta 14 am Königsplatz in Kassel aufgestellt worden war. Der über 16 Meter Hohe Obelisk mit der Inschrift „Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“, die jeweils auch auf Arabisch, Englisch und Türkisch zu lesen ist, hat von Beginn an für Diskussionen gesorgt. Währedn der AfD-Stadtverordnete Thomas Materner den Obelisken im Kulturausschuss als „ideologisierende und entstellende Kunst“ bezeichnete, hat das Kuratorium des Magistrats der Stadt Kassel Oguibe dafür den Arnold-Bode-Preis verliehen.

Viele BürgerInnen Kassels waren der Meinung, dass der Obelisk mit seinem universellen Statement „der Barmherzigkeit und Gastfreundschaft gegenüber Fremden“ (Oguibe) dauerhaft in der Stadt verbleiben sollte. Was dann während der Ankaufsverhandlungen folgte, ist ein unrühmliches Beispiel an politischer Feigheit und der Erniedrigung eines international anerkannten Künstlers. Ursprünglich hätte das Werk 600.000 Euro kosten sollen, was schon zu Ablehnenden Reaktionen aus dem Kasseler Rathaus und der Bevölkerung führte. Die Kulturdezernentin von Kassel, Susanne Völker, die sich vehement für einen Ankauf einsetzte, rief im Februar 2018 schließlich die Bürgerschaft zu einer Spendenaktion auf, die 126.000 Euro erbrachte. Als sich Oguibe mit diesem Preis einverstanden erklärte, begann die Stadt neuerlich Verhandlungen um den Aufstellungsort des Obelisken, denn Vielen war das politische Statement im Zentrum Stadt offenbar ein Dorn im Auge. Erst sollte das Kunstwerk an den Holländischen Platz versetzt werden, da die Stadt dort vielleicht in einigen Jahren ein neues documenta-Institut errichten wolle. Dann wurde die Trepenstraße unweit des Königsplatzes als alternativer Ort genannt, weil die Stadt plane, dort noch weitere Kunstwerke im öffentlichen Raum zu platzieren. Für Oguibe waren diese halbherzigen Angebote umso mehr ein Argument, auf dem Königsplatz zu bestehen. „Für mich als Künstler ist es kein Trost wenn ich gesagt bekomme ’Wir lieben ihr Kunstwerk, Herr Oguibe, aber das Werk ist auf unserem Zentralen Platz nicht willkommen. Wir lieben sein Statement gegen die Kräfte der Intoleranz, aber wir tolerieren das Kunstwerk nicht am Königsplatz’“, schreibt Oguibe in seinem Statement vom 1. Oktober und bot der Stadt Kassel an, den Obelisken trotzdem so lange weiter stehen zu lassen, bis man zu einer Einigung gefunden hätte.
Nun hat die Stadt Kassel den Diskussionen ein radikales Ende gesetzt. Ausgerechnet am Tag der Deutschen Einheit rückte ein Bautrupp am Königsplatz an und demontierte Olu Oguibes Obelisken. Dem war ein Beschluss der Kasseler Stadtverordnetenversammlung vorangegangen, in dem eine breite Mehrheit dafür votiert hatte, dass das Kunstwerk vom Königsplatz verschwinden muss, um den Platz für zukünftige Nutzungen freizuhalten. Die Kosten des Abbaus seien noch durch das Budget der documenta gedeckt und das Kunstwerk werde nun bis zur Rückgabe an Oguibe eingelagert, so die Stadt Kassel in einer Aussendung. Um den Transport in seine derzeitige Heimat USA, müsse sich der Künstler aber selbst kümmern.

„Die Stadt respektiere die Haltung des Künstlers, der auch in seiner jüngsten öffentlichen Stellungnahme betont hat, dass er sein Kunstwerk explizit für den Königsplatz geschaffen habe, sagte ein Stadtsprecher. Dem stehen aber die demokratischen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung entgegen, die für die Verwaltung bindend sind – zwei Positionen, die leider nicht überein zu bringen sind. Die Entscheidung, was künftig mit dem Kunstwerk geschehen soll, obliegt dem Künstler. Die Stadt sei – unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung – weiterhin offen für Gespräche mit Olu Oguibe zur Zukunft des Obelisken, so der Stadtsprecher“, so die Stadt weiter in der Aussendung. Das von der Bürgerschaft gesammelte Geld wird die Stadt nun zurückzahlen.
Es ist schade und der documenta-Stadt Kassel unwürdig, wie die Diskussion mit Olu Oguibe geführt und besonders, wie sie unter dem Vorwand eines demokratischen Entscheids (übrigens am Todestag des documenta-Gründers Arnold Bode) beendet wurde. Dies widerspricht nicht nur dem Geist der documenta, sondern lässt Erinnerungen an Zeiten wach werden, in denen Intoleranz und Ausgrenzung ebenfalls durch Mehrheitsentscheide legitimiert wurden.

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Dank an Regina Oesterling für die --> Fotos des Abbaus

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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