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Im Zweifel für den weißen Mann?

„Wir wünschen uns, dass es keine Quote braucht, damit unsere Arbeit sichtbar wird. Wir wünschen uns, dass sich Listen mit zwölf weißen Männern, einer Frau und drei Kollektiven falsch anfühlen – und zwar nicht nur für uns, sondern für die Ausstellungsmacher*innen und die Direktion. Und wir wünschen uns, dass wir mit diesem Brief zu einem überfälligen Umdenken beitragen, das allen Akteur*innen im Kulturbetrieb unabhängig von Geschlecht und Herkunft gleichwertig gute Arbeit und damit dasselbe Recht auf Öffentlichkeit zugesteht.“

Diese Sätze aus einem offenen Brief sollten nach dem Wunsch der InitiatorInnen und UnterzeichnerInnen eigentlich gar nicht mehr nötig sein. Dennoch scheint in einem Teil der Kunstinstitutionen bzw. bei Kuratoren noch nicht angekommen zu sein, dass man sich heutzutage bei der Suche nach geeigneten Kunstwerken für eine Ausstellung, nicht mehr nur auf weiße und westliche Künstler beschränken kann.

So geschehen bei der Ausstellung „Im Zweifel für den Zweifel – Die große Weltverschwörung“ im NRW Forum Düsseldorf. Gastkurator Florian Waldvogel und Künstlerischer Direktor Alain Bieber hatten Werke von durchaus honorigen Künstlern und einer einzigen Künstlerin zum Thema zusammengestellt. Nach ersten Protesten kam dann noch eine Künstlerin dazu.

Was dann folgte, ist ein Lehrstück an verpatzter Krisenkommunikation. Am 10 September hatte Verena Kasper-Eisert, Kuratorin am Kunsthaus Wien, die Einladung zur Eröffnung der Ausstellung auf --> Facebook gepostet und dazugeschrieben „ Keeping the percentage of women in an exhibition so low must be a challenge. Alain Bieber and Florian Waldvogel have managed“. artmagazine-Kolumnistin Nina Schedlmayer legte in ihrem --> Artemisia-Blog noch einmal nach. Danach folgten erst einmal Schweigen der Pressestelle des NRW Forum, halbherzige Entschuldigungen bzw. Mansplaining. Florian Waldvogel erklärte in seiner Eröffnungsrede am 20. September (--> hier seine Textversion auf Facebook) wortreich, warum es keine Ausgrenzung bei der Auswahl der Kunstwerke gegeben habe. Mehr Frauen als Männer hätten die Anfrage nach einem Beitrag zur Ausstellung abgelehnt, keiner Künstlerin sei abgesagt worden. Dann aber verstieg sich Waldvogel selbst in den Niederungen der Verschwörungstheorien, erwähnte unnötiger Weise dass die Rechte Szene von „Genderwahnsinn“ spreche, warf „Fake-News Verbreitern“ theoretische Fantasielosigkeit vor und einem „Mainstram-Feminismus“ vor, „anti-universalistisch und anti-aufklärerisch“ zu sein. Direkt griff er auch die Künstlerin Candice Breitz als „weiße Südafrikanerin“ an, nachdem diese sich zuvor ebenfalls gegen die verunglückte Künstlerliste engagiert hatte.

Das war dann endgültig zu viel. Am 25. September ging eine --> Website mit einem offenen Brief online, den mittlerweile über 1.100 Personen aus dem Kunstbereich unterzeichnet haben.

Man wolle, so die InitatorInnen des Briefes, KuratorInnen nicht vorschreiben, wen sie auszustellen hätten, sehe aber genügend Beispiele für eine „systemische Exklusion“ nicht nur von Künstlerinnen in der gegenwärtigen Ausstellungslandschaft.

Letztendlich ist es schade um eine Ausstellung, die Themen aufnimmt, von denen wir alle täglich betroffen sind und zu der auch Künstlerinnen ihren Beitrag leisten hätten können. Auch wenn man Florian Waldvogel „systemische Exklusion“ von Künstlerinnen in seinen Ausstellungen (siehe z.B. das Programm des Kunstverein in Hamburg unter seiner Leitung) kaum vorwerfen kann, muss man sich aber schon fragen, was ihn geritten hat, eine derart untergriffige Verteidigungsrede zu halten. Denn auch wenn im Netz durchaus ebenfalls untergriffig über die Ausstellung diskutiert wurde, hätte eine ehrlich gemeinte Entschuldigung wohl mehr bewirken können.

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Abbildung: Facebook-Post von Verena Kasper-Eisert

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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