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1. Roma Biennale: Gypsy Eyes

Auf der Venedig Biennale 2007 gab es den ersten und bisher einzigen Roma-Pavillon, jetzt findet die 1. Roma Biennale in Berlin statt. Im Gorki-Theater zeigen Performances, Theaterstücke und Arbeiten der Bildende Kunst die Kraft der Roma auch im Bereich der Kultur sich zu wehren gegen Diskriminierung, Verfolgung und Ausgrenzung.

Unter dem Titel „Gypsyland“ wird auf der 1. Roma Biennale bildende Kunst präsentiert, genauer: eine Retrospektive des im Dezember überraschend gestorbenen Künstlers Damian Les Bas, der 2007 ein Vertreter der Roma auf der Venedig Biennale gewesen ist. Insofern handelt es sich zumindest bei diesem Teil der 1. Roma Biennale, der kuratiert wird von der Witwe des Künstlers Delaine Les Bas, ein wenig um „Etikettenschwindel“. Dennoch ist „Gypsyland“ nicht nur ein wichtiges Statement gegen akademisch-eurozentristische Kunstauffassungen, sondern auch eine sehenswerte Ausstellung. Statements wie diese häufen sich übrigens in letzter Zeit zumindest in Deutschlands Ausstellungslandschaft, die letzte, explizit nicht-eurozentristisch konzipierte Documenta zeigt da jetzt durchaus Wirkung. Man denke hier nur an Ausstellungen wie „A tale of two worlds – Experimentelle Kunst Lateinamerikas der 1940 – 1980er Jahre im Dialog mit der Sammlung des MMK“, im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (bis zum 15. April), oder an die Ende April eröffnenden Ausstellungen „Hello World“ im Hamburger Bahnhof, Berlin, und „Facing India“ im Kunstmuseum Wolfsburg. Oder natürlich an die wichtige „postkoloniale“ Ausstellungsarbeit des SAVVY-Zentrums in Berlin Wedding.

Die Ausstellung „Gypsyland“ nun überzeugt einerseits dank ihrer spannenden Bandbreite der gezeigten Kunst von Damian Les Bas – das Spektrum reicht von Plakaten, Objekten und Collagen, bis hin zu Videos und Rauminstallationen. Andererseits fasziniert die in diesem Umfeld sich entwickelnde Ästhetik eines (politischen) Widerstandes, die so strikt wie poetisch, so engagiert wie gleichzeitig spielerisch daherkommt. Gemeinsam ist all den künstlerischen „ProtestNoten“ gegen ausgrenzende Stereotypisierungen, aggressive Diskriminierungen der Roma und Rechtspopulismus in Europa, ein hybrider und polyphoner Charakter, der unterschiedlichste Grammatiken in sich vereinbart. So entzieht sich diese zuweilen auch in Gemeinschaftsarbeit entstehende Kunst einer eindeutig abgrenzenden Zuordnung und präferiert stattdessen Gemeinsames. Textfragmente im Graffitistil, wie etwa „Is this a safe european home? For who?“ oder „Recession + Racism – don't feed it!“ sind da zu lesen, tränende Augen und greifende Hände in der schwarzen Drastik des Expressionismus erscheinen gleich daneben. Dann unterbrechen fast schon zarte, figürliche Silhouetten, die an Henk Visch denken lassen, das bildnerische Geschehen poetisierend, daneben wiederum simpel hingehauene Pfeile und Ziffern im Stile A.R. Penks, schließlich collagierte Zeitungsfotos, vielleicht a la Thomas Hirschhorn ... Alles ist schnell und spontan in einen so formalen wie inhaltlichen Dialog gebracht, alles in zumeist „billiger“, punkig unakademischer Do-it-yourself-Manier, selbstverständlich selbstbewusst darauf pfeifend wer hier Vor- oder Nachbild ist. Kein Zufall ist es da natürlich auch, dass Damian les Bas des öfteren Landkarten und Globen als Grundlage für seine Arbeiten benutzte, die er dann überzeichnet, bemalt, bestickt und beklebt hat und so ihrer vormaligen Funktion der autoritär definierenden Verortung entzog. Deterritorialisierung ist nun mal gerade für die Roma, „der größten ethnischen Minderheit Europas“, ein stets zentrales Thema. Kurz und gut: Eine wichtige Ausstellung!

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Die 1. Roma Biennale war vom 7. bis 10. April zu sehen, die Ausstellung „Gypsyland“, eine Retrospektive des Lebenswerkes von Damian Le Bas, ergänzt durch Werke von Gabi Jimenez und Karol Radziszewski ist noch bis 30.4.2018 zu sehen, geöffnet an den Tagen der Vorstellung, 17.00 – 22.00 Uhr

Mehr Texte von Raimar Stange

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1. Roma Biennale
07 - 30.04.2018

Maxim Gorki Theater
10117 Berlin, Am Festungsgraben 2
Tel: +49 30 20221-0
Email: kontakt@gorki.de
http://www.gorki.de


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