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ZERSCHMETTERT IN STÜCKE

Stets verwendet Lawrence Weiner das Partizip Perfekt. Etwas wird als Geschehnis gekennzeichnet. Dabei geht es um Handlungen, die abgeschlossen sind, um Vergangenes, Vollendetes. Um den Handelnden zu verbergen, verzichten seine Verben auf die Nachbarschaft durch ein sprachliches Subjekt. So auch bei: “SMASHED TO PIECES”. Niemand tritt hier als Vollstrecker auf, Täter, Zerstörer, Vernichter. Zurück bleibt die Vorstellung von einem Trümmerwerk, von einer Ruine. Weiners Kunst ist eine, die gedanklich Handlungen aufruft, ohne sie zu zeigen. Sprache und Vorstellung treten an die Stelle des tatsächlich Gewesenen. Die Aggressivität, die Gewalt, die Kraft der Handlung wird uns dennoch deutlich. Was mag es sein, von dem nur mehr Stücke übrig sind? Wer ist für solches Tun verantwortlich? “SMASHED TO PIECES” ist auf einer Seite des Flakturms nahe der Gumpendorfer Straße zu lesen. Nun ist das Werk, das ohne Übertreibung ein Meisterwerk genannt werden darf, gefährdet. Das ist angesichts seiner Bedeutung unverzeihlich. Weiner betont stets, dass seine Texte Skulpturen sind, die sich an jede Stelle öffentlicher Wirksamkeit heften können. Doch dieses Werk bildet eine Ausnahme. Es ist einzigartig darin, dass es nur am Ort seiner Anbringung verständlich wird. Die Flaktürme sind monströse Hinterlassenschaften eines terroristischen Regimes, das tatsächlich regiert hat. Nicht nur in der Vorstellung. Die Flaktürme sind Bollwerke, die so robust und widerständig sind, dass sie kein Dynamit in Stücke zerreißen kann, ohne anliegende Viertel nicht auch bersten zu lassen. Diese Tatsache kann kein Glasvorbau verdecken und wird keine Kommerzialisierung je amortisieren. Die Geschichte der Geschütztürme mit einer schicken Verkleidung aus Glas zu verbergen, wie dies die Verantwortlichen des »Haus des Meeres« beabsichtigen, ist eine plumpe Weise der Attraktivierung, zugleich ein bedenklicher Akt, der die Geschichte dieses Landes vergessen machen möchte. Es ist ein Sakrileg in einem sensiblen Jahr des Gedenkens. Dass Weiner die Demontage seiner Arbeit vorhersah und auch ihre schleichende Verschandelung (“IN THE STILL OF THE NIGHT”) ohne benennbare Täter, ist wie ein Treppenwitz der Geschichte.

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Abbildung: SMASHED TO PIECES (IN THE STILL OF THE NIGHT) (Cat. #607), 1990, language and material referred to Flakturm, Vienna, © Galerie Hubert Winter, Wien

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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Ihre Meinung

5 Postings in diesem Forum
experte für eh Alles
tom möbel | 16.02.2018 10:21 | antworten
Da werden die Wiener wohl sehr weine(r)n. Ich hab auch geheult - aber vor Freude - als der Mist wieder raus war aus dem KUB.
Ich verstehe zwar Ihre Anmerkung nicht ...
Wstach | 20.02.2018 12:57 | antworten
..., anonymer "experte für eh Alles", sehr wohl aber teile ich die Meinung von Joseph Trummer. Weil ich will, dass meine Enkel wissen, dass das nicht das "Haus des Meeres" ist, sondern ein "Flakturm" war; und was ein "Flakturm" war.
sorry:
Wstach | 20.02.2018 01:00 | antworten
Thomas D. trummer
Flakturm 1060
Lucas Gehrmann | 20.02.2018 02:02 | antworten
Bin total d'accord mit Thomas D. Trummer -- dieser Flakturm wurde dank L. Weiner zu einem <stillen Mahnmal> (so etwas muss man erst einmal schaffen!) der Schrecken des Krieges, all seiner Toten (das Wort "Opfer" ist schwierig, weil ursprünglich religiös konnotiert) und weit über WWII hinaus ein Poem für den Frieden. Da Weiner damals nicht nur an militärische Auseinandersetzungen dachte, sondern das von ihm wahrgenommene Klirren nächtlich zerschmetterter Bierflaschen in der Umgebung des Esterhazyparks miteinbezog in seine textliche Reflexion, ist es auch ein Anstoß zum Nachdenken über sinnlose Zerstörungs- und Lärmaktivitäten im öffentlichen (Stadt)Raum. Wer startet eine Petition zur Erhaltung dieses hochkarätigen, auch weil so einfach und deutlich formulierten Kunstwerks? Ich unterschreibe sofort! Liebe Grüße, lucas.gehrmann@kunsthallewien.at
lawrence weiner
Brigitte Huck | 21.02.2018 08:47 | antworten
hab ich was überhört - vom kulturstadtrat oder vom kör ?? BEWEGT EUCH !

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