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Rechts: Intelligenter Populismus

„Es ist nicht wahr, dass der Künstler unpolitisch sei, denn politisch sein heißt nichts anderes, als mit Verstand der Öffentlichkeit zu dienen. Und wenn einer, dann tut der Künstler das.“

Dieser Satz, der auf der linken Tafel des Diptychons des Künstlerduos Dellbrügge & de Moll mit dem Titel Es ist nicht wahr (2018) steht, scheint beim ersten Überfliegen unproblematisch. Erst wenn der Blick hinüber zur rechten Bildtafel wandert, auf der dem Zitat ein Autor zugeordnet wird, fühlt man sich zur prüfenden Neubetrachtung des Gelesenen verpflichtet: Joseph Goebbels.

Die Arbeit thematisiert eine wesentliche Strategie des Rechtspopulismus, die komplexe Sachverhalte reduziert und in Scheinargumente überführt, die im ersten Moment nachvollziehbar klingen. Sie geben einfache Antworten auf schwierige Fragen. In diesem Zitat ist es der Begriff des Politischen, der entleert, und einer Handlungslogik des Dienens aufgestülpt wird. Dass Politisch-Sein im eigentlichen Sinne genau das Gegenteil dessen bedeutet, nämlich ein Denken und Handeln, das die gegebenen Strukturen in Frage stellt, Meinungen aufgrund dezidierter Argumente bildet und sich davon ausgehend innerhalb eines politischen Systems positioniert, wird durch diese rhetorische Polemik überschrieben. Gleichzeitig wirft der Beginn des Zitats eine der zentralen Fragen auf, die die von artmagazine-Autor Raimar Stange kuratierte Ausstellung Rechts stellt. Kann Kunst einen Beitrag leisten, um das Phänomen des Rechtspopulismus in seiner strukturellen Verfasstheit und seinen Verfahrensweisen zu konfrontieren? Welcher Modalitäten bedient sie sich dabei und wie wirksam ist die so formulierte Kritik?

Die künstlerischen Positionen, die Raimar Stange in dieser Ausstellung zusammen bringt, geben ganz unterschiedliche Antworten auf diese Fragen und bedienen sich dabei verschiedener Modi der Auseinandersetzung – von Malerei und Skulptur über Collage bis hin zu Konzeptkunst.

Die Arbeit von Shila Khatami nutzt Farbspezifik und die Prozesse der Bildgenese, um die Frage von Multikulturalität und Migration zu beleuchten. Das Tableau erscheint wie das Relikt eines Druckvorgangs. Unter einem breiten Streifen grober, farbbesprenkelter Pappe ragt der Rand des schneeweißen Druckpapiers hervor, das sich dahinter verbirgt. Die Außenseite des reinen Papiers ist mit einem Farbkontrollstreifen versehen, der in professionellen Druckvorgängen dazu dient, Abweichungen in der Druckfarbe schneller erkennen zu können. Auf der Pappe ist eine Schablone befestigt, in der das Wort „Mohaajer“ (Farsi für „Migrant“) als Leerstelle prangt. Die schwarzen Färbungen auf der Schablone lassen vermuten, dass sie benutzt worden ist, auf dem Tableau selbst verbleibt das Wort aber nur als Umriss, als Auslassung. Die rigide Farbvorgabe des digitalen Druckprozesses steht in starkem Kontrast zu dem analogen Umgang mit Sprühfarbe. Khatami entwirft darin ein Bekenntnis zu den vertrackten Perspektiven auf migrantische Identität, die im Kontext des rigiden Systems einer vorherrschenden Kultur und ihres politischen Systems, als Blaupause, als Spur verbleibt.

Auf einem Sockel im mittleren Teil der Ausstellung liegt ein Stapel Broschüren. Die blauen Heftchen scheinen Schulmaterialien zu sein, die das Logo des Bayrischen Ministeriums tragen. In den Booklets wird im Rekurs auf den individuellen Widerstand der Weißen Rose vor dem Hintergrund humanistischer Geschichte zu „zivilem Ungehorsam“ aufgerufen. Die Bücher waren Teil einer Aktion des Zentrums für politische Schönheit, das 2017 zum Scholl-Jahr aufrief und im Zuge einer vorgeblichen Zusammenarbeit mit der Bayrischen Regierung Schüler und Studenten dazu aufforderte, finanziert vom Freistaat Bayern, „in eine Diktatur ihrer Wahl“ zu reisen, um dort mit Flugblättern zum Widerstand aufzurufen. Die Durchschlagskraft der Aktion ist paradigmatisch für die elaborierten und forschen Strategien des Kollektivs, die zwischen politischer Aufklärung, humanistischem Appell und zynischem Kommentar auf eine doppelzüngige Politik, eine zentrale, kritische Position innerhalb der zeitgenössischen Kunst bekleiden, die von institutioneller, kommerzieller Seite des Kunstbetriebs leider zu großen Teilen ignoriert wird.

Einen gelungenen Abschluss unter den vielseitigen künstlerischen Perspektiven, stellt die Arbeit von Michaela Meise Nico-Laken (2002) dar, die das Kokettieren mit der „Coolness des Faschistoiden“, verkörpert durch Christa Päffgen alias Nico, die Frontsängerin der von Andy Warhol ins Leben gerufenen Band Velvet Underground, spielerisch und appellativ zum Thema macht.

Raimar Stanges Ausstellung liefert einen wertvollen Überblick des Spektrums ästhetischer und konzeptueller Strategien, derer sich zeitgenössische künstlerische Positionen bedienen, um so gravierende politische Phänomene wie den Rechtspopulismus kritisch zu konfrontieren. Gerade im Hinblick auf den zunehmenden Rückzug, vor allem auf Seiten des Diskurses innerhalb des kommerziellen Kunstbetriebs, zur bloßen „Politik der Form“, der die „Überbordung der Kunst mit politischen Inhalten“ kritisiert, fungiert diese Schau als gelungene Antithese: In Zeiten des globalen Kapitalismus und den sich aufdrängenden Problematiken der fast schon weltweiten Tendenzen zu Nationalismus und Populismus hat die Kunst den Status eines prekären Grenzobjekts. Als solches kann und muss sie, auch explizit, politisch sein.

Mehr Texte von Anna Gien

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Rechts
27.01 - 04.03.2018

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