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Rodtschenko-Schule. Die neue Generation der russischen Kunst.: Export aus Moskau

It's after the age of stage diving. Die Szenen wurden eingefangen lange nachdem Punk Rock sich entlud, das erkennt man an den straight geschnittenen Frisuren und bald an den Bärten. Körperdynamik und vielleicht auch die karierten Hemden zwischendrin lassen darauf schließen. Trotzdem geht von diesen Fotoarbeiten der Ekaterina Mamontova eine vibrierende Dynamik aus, die einen unmittelbar erfasst. Moshpit Dance Szenen als s/w Bild aufgenommen von der in Moskau lebenden Künstlerin auf einem russischen Folk-Festival. Der Logik der Motive gemäß hängte Kurator Sergey Bratkov mehrere Aufnahmen abstandlos nebeneinander. Ein Gewimmel aus Armen, Köpfen und sich in der Masse aufbäumenden Körpern.

Gleich um die Ecke eine andere Art der Sozialstudie: Zwar widmet sich das Video ebenfalls der Generation postadoleszenter twenty-somethings. Doch rückt Vik Laschenov die Gruppe der jungen, erfolgreichen Business-Typen in den Fokus; solche mit ihrem rasanten Aufstieg nicht fertigwerden. Im Zuge ihrer Down-Grading-Übungen wandern sie mit Bordkoffern durchs Grüne oder fahren auf adaptierten Einkaufswägen wie auf venezianischen Gondeln Slalom durch die Landschaft – bloß um sich vom zerstörerischen Ernst ihrer Geschäft zu distanzieren. Absurde Tragik. Eine Art Wall Street Phänomen, das jetzt scheinbar auch die russischen Aufsteiger erfasst. Zumindest als phantastische Inszenierung.

Aus welchem sozialhistorischen Umfeld diese Fotoprojekte kommen, erzählen die Porträts von Bauten ehemals sozialistischer Kulturzentren von Dmitry Lukianov. Ähnlich wie der österreichische Künstler Andreas Fogarasi in seinen Studien von Kulturzentren in Ungarn, fotografierte Lukianov eine Reihe jener in der UdSSR im Stil des sozialistischen Klassizismus errichteten Bauten, die symbolisch und praktisch für den Leninistischen Slogan »Die Kunst gehört der Bevölkerung« standen.

Sehr unterschiedliche Zugänge zur Fotografie an der Schwelle zur Medienkunst also. Natürlich lassen sich die künstlerischen Positionen solcher Ausstellungen nicht unter einem speziellen thematischen Schwerpunkt zusammenfassen. Nicht einfach, eine griffige Überschrift drüber zu poppen. Warum auch? Die Rodtschenko Foto Schule und die dazugehörige gleichnamige Sammlung in Moskau, die sich mittlerweile in Multi-Media Museum umbenannt hat, zählen in der russischen Föderation zu den wichtigsten Institutionen ihrer Art.

Allein das macht diesen kleinen, aber sehr spannenden Ausschnitt aus der Sammlung interessant. Fast noch zu den jüngeren Künstlern zählt der 1984 geborene Igor Samolet, der behauptet dokumentarisch zu arbeiten, jedoch in der Art von Anna und Bernhard Blume Dinge oft dort platziert, wo sie in der sogenannten Realität nichts verloren haben. Bemerkenswert, dass jene Arbeiten, die aus den allgemein so bezeichneten sozialen Medien heraus kommen oder auf Selfies basieren, nicht nur Akt der Selbstvergewisserung sind, sondern – wie bei Maria Ionova-Gribina – auch sehr poetisch wirken können.

Es handelt sich um keine Ausstellung der Galerie, sondern um ein Kooperationsprojekt mit dem MAMM Multimedia Art Museum Moskau und deren Direktorin Olga Sviblova; leider ziemlich konservativ betitelt, handelt es sich doch keineswegs um eine Art Avantgarde, wie das Versprechen von einer »neuen Generation« vermuten lassen könnte, sondern um in ihrem russischen Kontext relativ arrivierte FotokünstlerInnen. Sehenswert auf alle Fälle.

Mehr Texte von Roland Schöny

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Rodtschenko-Schule. Die neue Generation der russischen Kunst.
17.11 - 16.12.2017

Krinzinger Schottenfeld
1070 Wien, Schottenfeldgasse 45
Tel: +43 (1) 512 81 42
Email: krinzingerprojekte@gmx.at
http://www.galerie-krinzinger.at/projekte
Öffnungszeiten: Mi-Fr: 15-17h
Sa: 11-14h


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